Amuse-bouche
Der Geschmack der Kunst

Installationsansicht mit Werken von Slavs and Tatars, Brine & Punishment (Vordergrund), 2019 und Pickle Tits, 2018 © 2020 Museum Tinguely, Basel; Foto: Gina Folly

Museum Tinguely, 19. Februar – 26. Juli 2020


«Amuse-bouche. Der Geschmack der Kunst» ist das dritte Ausstellungsexperiment im Museum Tinguely, das sich in die Welt der menschlichen Sinne begibt, nach den Themenausstellungen «Belle Haleine – Der Duft der Kunst» (2015) und «Prière de toucher – Der Tastsinn der Kunst» (2016). Die Sinne spielen beim Erleben der Kunst eine essentielle Rolle. Dabei ist unsere Wahrnehmung immer multisensorisch und stark von persönlichen und unterschiedlichen Emotionen und Erinnerungen beeinflusst. Beim Geschmack ist dies besonders ausgeprägt, lässt sich das Gustatorische oft nicht vom Riechsinn oder vom Sehsinn trennen. Amuse-bouche rückt den Geschmackssinn ins Zentrum und fragt: Schmeckt Kunst süss, sauer, bitter, salzig oder gar umami? Welche Rolle spielt unser Geschmackssinn als künstlerisches Material und im sozialen Miteinander?

>> Saalheft zur Ausstellung

Die Gruppenausstellung präsentiert Kunstwerke von rund 45 internationalen Künstler*innen aus dem Barock bis zur Gegenwart, die unseren faszinierenden, gustatorischen Sinn als eine Möglichkeit ästhetischer Wahrnehmung aufgreifen. Die Schau bricht mit der üblichen musealen Praktik, vornehmlich den Sehsinn der Besucher anzusprechen, und bietet ihnen eine Vielfalt von kunsthistorischen, phänomenologischen sowie empirischen Begegnungen mit unserem Geschmackssinn. Einige der Arbeiten können im Rahmen spezieller Führungen durch die Ausstellung und Performances auch geschmacklich erfahren werden.
 

Jan Davidsz. de Heem, Fruchtstillleben mit gefülltem Weinglas, 17. Jh. Öl auf Eichenholz, 35 × 53 cm Staatliche Kunsthalle, Karlsruhe © bpk / Staatliche Kunsthalle Karlsruhe / Annette Fischer / Heike Kohler

Video | Kuratorin Annja Müller-Alsbach

Farah Al Qasimi, Lunch, 2018; Inkjetprint (Ausstellungskopie), 102 x 74 cm Courtesy of the artist, The Third Line, Dubai and Helena Anrather Gallery, New York  © Farah Al Qasimi; Foto: Courtesy of the artist and The Third Line, Dubai and Helena Anrather Gallery, New York

Farah Al Qasimi, Lunch, 2018; Inkjetprint (Ausstellungskopie), 102 x 74 cm; Courtesy of the artist, The Third Line, Dubai and Helena Anrather Gallery, New York © Farah Al Qasimi; Foto: Courtesy of the artist and The Third Line, Dubai and Helena Anrather Gallery, New York

In der traditionellen Sinneslehre ist der Geschmackssinn durch die direkte physische Berührung bestimmt. Unmittelbar und körperbezogen, über unser Geschmackserleben mit dem Mund und der Zunge, nehmen wir die uns umgebende mannigfaltige Welt wahr. Die Ausstellung im Museum Tinguely stellt verschiedene Fragen rund um die zahlreichen Wirkungsfelder unserer geschmacklichen Erfahrungen: Wie nehmen wir Kunst aus Nahrungsmitteln und deren spezifische Geschmacksnuancen wahr? Was geschieht, wenn unser Mund, beziehungsweise unsere Zunge, plötzlich die Hauptrolle beim Erleben von Kunst spielt? Können Kunstwerke auch ohne direkten physischen Kontakt zum Betrachter dessen gustatorischen Sinn ansprechen? Lassen sich diese Erfahrungen beschreiben und in Bilder übersetzen? Können Aromen als Medium künstlerischen Ausdrucks und Kreativität dienen?
 

In «Amuse-bouche. Der Geschmack der Kunst» sind allegorische Darstellungen des Geschmackssinns aus dem Barock zu sehen, Positionen von Avantgardekünstlern des beginnenden 20. Jahrhunderts sowie Exponate aus den 1960er und 1970er-Jahren. Der Hauptfokus liegt auf einer repräsentativen Auswahl von Bildern, Fotografien, Plastiken, Videoarbeiten und installativen Arbeiten aus den letzten dreissig Jahren, mit denen die Inkorporation und Geschmackswahrnehmung von Nahrungsmitteln durch den Mund beziehungsweise durch die Zunge auf unterschiedliche Weise thematisiert werden. Präsentiert werden Werke, bei denen Künstler*innen Nahrungsmittel und natürliche Materialien als Aromaträger in unterschiedlicher Form einsetzen.

Marisa Benjamim, Entwurfsskizze für Hortus Deliciarum im Museum Tinguely, 2019 Collage und Tinte auf Papier, verschiedene Masse Courtesy of the artist © Marisa Benjamim; Foto: Andrés Galeano

Marisa Benjamim, Entwurfsskizze für Hortus Deliciarum
im Museum Tinguely, 2019, Collage und Tinte auf Papier, verschiedene Masse
Courtesy of the artist © Marisa Benjamim; Foto: Andrés Galeano

Otobong Nkanga, Contained Measures of a Kolanut, 2012/2014 Performance-Ansicht anlässlich der Ausstellung Szalon, Logan Centre of Arts, Chicago, USA (19. September – 23. November 2014) Verschiedene Tische, handgeschöpftes Baumwollpapier, Fotografien (Inkjet auf Forex), Holz, Kolanüsse, Kolanussextrakt, Glasteller, Messer, Handschuhe, Kissen, Karaffe, Halterung, variable Masse Courtesy of the artist © Otobong Nkanga; Foto: Marco G. Ferrari

Otobong Nkanga, Contained Measures of a Kolanut, 2012/2014, Performance-Ansicht anlässlich der Ausstellung Szalon, Logan Centre of Arts, Chicago, USA (19. September – 23. November 2014); Verschiedene Tische, handgeschöpftes Baumwollpapier, Fotografien (Inkjet auf Forex), Holz, Kolanüsse, Kolanussextrakt, Glasteller, Messer, Handschuhe, Kissen, Karaffe, Halterung, variable Masse; Courtesy of the artist © Otobong Nkanga; Foto: Marco G. Ferrari, Courtesy of the artist

Einige der Arbeiten können im Rahmen von speziellen Ausstellungsführungen und Künstlerperformances gekostet werden. Probieren kann man an bestimmten Terminen essbare Pflanzen im Hortus Deliciarum, einem installativ-performativen Projekt der Portugiesin Marisa Benjamim oder die aus Schokolade und Pfeffernüssen bestehenden monumentalen, partizipativen Werke der australischen Künstlerin Elizabeth Willing. Sauerkrautsaft mit dem Label Brine and Punishment ist Teil der Rauminstallation von Slavs and Tatars, einem in Berlin tätigen Künstlerkollektiv. Der säuerliche Powerdrink dient als sinnlich erlebbarer Part in einer intellektuell-philosophischen Auseinandersetzung der Künstler auf Basis von Sprache und der vielschichtigen Wortbedeutung und Interpretation von Fermentation und «sauer werden ».

Um virulente gesellschaftlich-politische Themen geht es auch dem in Berlin lebenden nigerianischen Künstler Emeka Ogboh mit seinem fortlaufenden Projekt Sufferhead Original. Ausgehend von seiner immer wieder anders schmeckenden Stout-Biermarke, stellt Ogboh auch in seiner neuen Basler Edition die provokative Frage in den Raum «Wer hat Angst vor schwarz?». Darüber hinaus sind Kunstwerke in unterschiedlichen Medien zu entdecken, in denen Geschmackserlebnisse lediglich in der Imagination der Betrachter heraufbeschworen werden.

Emeka Ogboh, Sufferhead Original – Basel Edition, 2020 © Emeka Ogboh; Foto: Emeka Ogboh

Emeka Ogboh, Sufferhead Original – Basel Edition, 2020
© Emeka Ogboh; Foto: Emeka Ogboh

Vertreten sind Werke u.a. von folgenden Künstler*innen: Sonja Alhäuser, Farah Al Qasimi, Janine Antoni, Marisa Benjamim, Joseph Beuys, George Brecht, Pol Bury, Costantino Ciervo, Jan Davidsz. de Heem, Bea de Visser, Marcel Duchamp, Hans-Peter Feldmann, Urs Fischer, Fischli/Weiss, Karl Gerstner, Damien Hirst, Roelof Louw, Sarah Lucas, Opavivará!, Filippo Tommaso Marinetti, Cildo Meireles, Alexandra Meyer, Antonio Miralda-Dorothée Selz, Nicolas Momein, Anca Munteanu Rimnic, Otobong Nkanga, Emeka Ogboh, Dennis Oppenheim, Meret Oppenheim, Tobias Rehberger, Torbjørn Rødland, Dieter Roth, Roman Signer, Cindy Sherman, Shimabuku, Slavs and Tatars, Daniel Spoerri, Mladen Stilinović, Sam Taylor-Johnson, André Thomkins, Jorinde Voigt, Claudia Vogel, Andy Warhol, Tom Wesselmann, Elizabeth Willing, Erwin Wurm, Rémy Zaugg.

Führung in Gebärdensprache durch «Amuse-bouche»

 

 

Lua Leirner zeigt unserem gehörlosen Publikum von Fern und Nah die aktuelle Sonderausstellung «Amuse-bouche. Der Geschmack der Kunst» (19.2.-26.7.2020).

AMUSE-BOUCHE IM ORF-Kulturmontag vom 2. März 2020



Im Rahmen des Ausstellungsprojektes fand am 5. und 6. April 2019 ein interdisziplinäres Symposium statt
>> Lesen Sie mehr

 

 

Kooperationspartner: