Beziehungsgeflechte −
Jean Tinguelys Selbstporträts
mit präparierten Vögeln
Beziehungsgeflechte −
Jean Tinguelys Selbstporträts mit präparierten Vögeln
Fabiana Senkpiel
Jean Tinguely hat frühzeitig die Relevanz einer adäquaten bildlichen Dokumentation seiner Arbeit und seines Lebens erkannt. Wie der Kunsthistoriker Dominik Müller in seiner Biografie des Künstlers erläutert, fotografierte Joggi (Hansjörg) Stoecklin bereits zur Zeit der Künstler:innensiedlung der Impasse Ronsin in Paris den Künstler bei der Arbeit, seine Werke, Freund:innen und Ateliernachbar:innen.1 Dass dieses fotografische Œuvre über eine künstlerische Qualität verfügt, die das rein Dokumentarische übersteigert, hat der Kunsthistoriker und Kurator Andres Pardey herausgestrichen.2
Im augenscheinlichen Gegensatz zu dieser frühen medialen Strategie und der darauffolgenden ikonischen Präsenz Tinguelys in unserem kollektiven Gedächtnis stehen die spärlichen, vom Künstler geschaffenen Selbstbildnisse. Im künstlerischen Werk Tinguelys finden sich insgesamt zwei Selbstporträts. Bei dem einen handelt es sich um das Autoportrait conjugal von 1960, das seit den 1970er Jahren im Besitz des Kunstmuseums Basel ist, bei dem anderen um das Autoportrait von 1988, das sich seit 1990 im Pariser Centre Pompidou befindet. In der Forschung wurde diesen beiden Arbeiten wenig Aufmerksamkeit geschenkt, und so finden sich in der Literatur nur knappe Beschreibungen der Werke, die kaum thematisieren, dass jeweils ein präparierter Vogel Bestandteil des Selbstporträts ist.
Der vorliegende Beitrag möchte Tinguelys Selbstporträts neu aufrollen und dabei dem Anteil der präparierten Vögel an der künstlerischen Selbstdarstellung nachgehen. Die Werke sollen im Folgenden auf ihre kunst- und kulturhistorischen Referenzen, aber auch ästhetischen und sozialen Dimensionen hin und im Spannungsfeld von Künstlerselbstverständnis und Tier-Mensch-Verhältnis erörtert werden.
Autoportrait conjugal (1960)
Das Autoportrait conjugal (Abb. 1) ist eine Alteisenplastik mit beweglichen Elementen.3 Sie besteht unter anderem aus einem entleerten und verrosteten Schaltkasten, von dem ein altes Elektrokabel hängt, sowie aus einem Metallrahmen, aus Rädern eines Kinderwagens oder -fahrzeugs sowie der Leiter eines Kinderbettchens, ausserdem aus einem Gummikabel und einer Kette, an denen ein präparierter Vogel − ein Bergfink (Fringilla montifringilla, Männchen) − und ein Eisengewicht in Form eines glatten Zapfens hängen. Der Elektromotor, der an der rechten unteren Ecke des Rahmens angebracht ist, versetzt durch eine Metallstange die horizontal über den Rädern positionierte Metallleiter und damit die untere Hälfte der an der Wand befestigten Plastik in ruckartige Hin- und Her-Bewegungen.4
Das Autoportrait conjugal (in der Folge auch als eheliches Selbstporträt bezeichnet [Übers. der Autorin]), stammt aus dem Jahr 1960 und ist somit an einer Scharnierstelle im Werk Tinguelys entstanden. Mit dem Aufenthalt in den USA beginnt in dieser Zeit eine neue Werkphase, in der die kinetischen Reliefs und die MétaMatics abgelöst werden von meist aus Alteisen, Schrott sowie weiteren Fundstücken und gebrauchten Gegenständen bestehenden, immer grösseren Arbeiten beziehungsweise Maschinen. Schrott und gebrauchte Gegenstände belässt Tinguely in diesen «wild agierenden Schrottassemblagen»5 in ihrer ursprünglichen Form und unbemalt: Die «in labiler Weise»6 zusammengefügten Fundstücke erfahren erst durch ihre Auswahl und die anschliessende Präsentation im Kunstkontext eine Ästhetisierung;7 die sogenannten objets trouvés werden dergestalt zu «Bedeutungsträgern».8 Die Alltagsmaterialien evozieren im künstlerischen Kontext bestimmte Bilder, auf die teilweise auch die Titel der Werke verweisen.9 Die Kunsthistorikerin Heidi Violand-Hobi hat Tinguelys sorgfältige und humorvolle Auswahl der Werktitel, die das Zielpublikum berücksichtigte oder ihm das Verständnis der Arbeiten erleichtern sollte, herausgestrichen. Sie schreibt, dass der Künstler in einigen Fällen für ein und dasselbe Werk mehrere Titel verwendete und dass er auch Namen übernahm, die Ausstellungsbesuchende
Abb. 1 Jean Tinguely, Autoportrait conjugal, 1960, Alteisenplastik mit beweglichen Elementen, angetrieben von Elektromotor, Gummiband, Kette, ausgestopfter Vogel, 187 × 139 × 36,5 cm, Kunstmuseum Basel, Geschenk von Dr. Franz Meyer, Basel 1977, Inv. G 1976.15
Video, Autoportrait conjugal
Abb. 2 Robert Rauschenberg, Odalisk, 1955–1958, Holz, Stoff, Papier und andere Materialien, 205 × 58 × 58 cm, Köln, Museum Ludwig, Schenkung, Überweisung Wallraf-Richartz-Museum 1976, Schenkung Sammlung Ludwig 1976, Inv.-Nr. ML 01206
oder seine Mitarbeitenden einem Werk gegeben hatten.10 Ein Beispiel dafür ist die Arbeit Ballet des Pauvres (1961), die ursprünglich den Titel Miramar trug: Das Publikum reagierte belustigt auf die ärmlich wirkenden, tanzenden Elemente, weswegen der Künstler noch während deren Ausstellung den Titel änderte.11
Die Plastik Autoportrait conjugal wurde in den bisherigen Interpretationen mit weiteren Arbeiten aus dem Jahr 1960 dahingehend gelesen, dass sie sich durch eine «ungebändigte, wilde und urtümliche Ästhetik» auszeichnen, welche in dieser Form als charakteristisch für den Einfluss der privaten Situation sei.12 Denn im Jahr 1960 kam es auch im Privatleben des Künstlers zu bedeutenden Veränderungen: zum einen die Trennung von seiner ersten Ehefrau Eva Aeppli (1925–2015) und zum anderen der Einzug seiner späteren Ehefrau Niki de Saint Phalle (1930−2002) in die Impasse Ronsin. So beschreibt Violand-Hobi das eheliche Selbstporträt Tinguelys als «von einer schonungslosen Ironie charakterisiert […]. Mit seinem nervenzerreibenden Lärm suggeriert das Objekt die gespannte Atmosphäre zwischen Tinguely und Eva Aeppli in den letzten Tagen ihrer Ehe».13 Und während der damalige Direktor des Kunstmuseums Basel Franz Meyer Ende der 1970er Jahre es als eine «Art Foltermaschine»14 charakterisiert, spricht die Kunsthistorikerin und Kuratorin sowie ehemalige Direktorin des Museum Jean Tinguely (des heutigen Museum Tinguely) Margrit Hahnloser-Ingold 2003 von einem düsteren, autobiografischen Werk.15
Keine der bisherigen Charakterisierungen des Werks ist näher auf die Rolle des präparierten Vogels eingegangen. Im Lichte der Forschungen der Kunsthistorikerin Petra Lange-Berndt zu präparierten Tieren in der Kunst des 20. Jahrhunderts16 soll an dieser Stelle das Autoportrait conjugal etwas differenzierter betrachtet werden.
Im Kunstbereich kam es erstmals im französischen Surrealismus zum Einsatz präparierter Tiere als Kunstmaterial. Die amerikanische Kunstszene der 1950er Jahre griff auch auf präparierte Tiere zurück und kombinierte dann das surrealistische Verfahren der Assemblage mit Malerei.17
In der von André Breton und Marcel Duchamp organisierten Exposition Internationale du Surréalisme im Jahr 1959 in der Galerie Daniel Cordier in Paris, die mit EROS betitelt war, wurden neben bedeutenden Arbeiten der surrealistischen Objektkunst auch Werke zeitgenössischer Künstler:innen präsentiert, darunter Robert Rauschenberg (1925−2008) und sein damaliger Lebenspartner Jasper Johns (geb. 1930).18 Tinguely hatte im Kontext dieser Ausstellung Rauschenbergs Odalisk (1955/1958, Abb. 2) gesehen,19 das zu der Werkgruppe der sogenannten Combines gehört. Tinguely und Rauschenberg waren lebenslang befreundet und haben eine Zeit lang kooperiert.20
Rauschenberg und Johns arbeiteten von 1954 bis 1958 unter dem gemeinsamen Pseudonym Matson Jones als Schaufensterdekorateure.21 Präparierte Tiere fungierten in aufwendig gestalteten Schaufensterdekorationen New Yorks als Werbeträger für Luxusgüter. Rauschenbergs Satellite (1955), das oben erwähnte Odalisk und Canyon (1959) enthalten beispielsweise präparierte Tiere und insbesondere raumgreifende Vögel.22 Einige dieser Arbeiten lassen sich als künstlerische Referenz für das Autoportrait conjugal heranziehen. Kurator Paul Schimmel legt dar, dass Rauschenberg in und durch seine frühen Combines insbesondere die Themen Autobiografie und Selbstporträt auslotete. Zu diesem Zweck integrierte er beispielsweise Erinnerungsstücke, die Fragmente der eigenen Lebensgeschichte offenbaren, sowie Elemente, die zur Hausarchitektur gehören und seine Herkunft und das Konzept des Zuhauses evozieren.23 Insbesondere die Arbeit Odalisk könne laut Schimmel als Selbstporträt interpretiert werden, das die weibliche Seite des Künstlers verkörpere. So verweisen in Odalisk laut Schimmel zahlreiche Bilder auf das Weibliche und Familiäre: Hierzu zählen der Entwurf einer nackten Frau, der in Zusammenarbeit mit der ehemaligen Ehefrau des Künstlers, Susan Weil, angefertigt wurde, sowie Darstellungen von Familie und Zuhause wie eine lächelnde ältere Frau, ein kleiner Junge in Latzhose, ein Mann, der neben einem Pferd steht, ein junges Mädchen auf einem Dreirad, ein sich küssendes Paar, die Schwester des Künstlers und der Künstler selbst.24
Wie Lange-Berndt ausführt, ist der ornamentale Einsatz von präparierten Vögeln als häusliche Dekoration eine Tradition, die insbesondere in Nordamerika seit dem 19. Jahrhundert gepflegt wurde.25 Des Weiteren zeigt Lange-Berndt auf, dass Rauschenberg «in den Combines das Modell der amerikanischen Mittelstandsfamilie mitsamt seinen dazugehörigen Rollen», die zu dieser Zeit im Umbruch begriffen waren, verhandelt.26 Beim präparierten Vogel in Odalisk handelt es sich um einen gewöhnlichen Hahn (Gallus gallus domesticus). Durch sein aggressives Verhalten beim Verteidigen der Hennen und des Reviers verkörpert er somit eine gewisse herrschende Männlichkeitsvorstellung. Charles Stuckey erkennt in Odalisk eine Anspielung auf Constantin Brâncușis Skulpturen-Sockel-Ensembles, bei denen abstrakte Vögel auf speziell konstruierten Sockeln als spirituelle Ikonen der Freiheit präsentiert werden.27
Tinguely − bekanntlich selbst ausgebildeter Schaufensterdekorateur – kannte die Arbeiten Rauschenbergs und knüpfte womöglich an dieses Vorbild für sein eheliches Selbstporträt an. Dieses war Teil der Berner Ausstellung im Herbst 1960, bei der Tinguely zusammen mit den Künstlern Bernhard Luginbühl und Norbert Kricke in der Kunsthalle vertreten war.28 Violand-Hobi merkt an, dass Tinguely dort nicht nur die spezifischen Merkmale des Ausstellungsortes berücksichtigte, sondern auch «den grösseren, geografischen und politischen Kontext sowie den kulturellen und psychologischen Hintergrund des Publikums».29 Daran anschliessend könnten die bei Inbetriebnahme der Plastik hin und her schwankenden Bewegungen des Gummikabels mit dem Vogel und der Kette mit dem Gewichtstein an das Pendelwerk einer Kuckucksuhr erinnern, das durch einen Kettenzug angetrieben wird. Dabei kommt bei der vollen Stunde ein Vogel zum Vorschein und die Uhr macht Vogelgeräusche. Klassische Kuckucksuhren sind in der Regel mechanische Wanduhren, deren Schlagwerk den Ruf eines Kuckucks imitiert. Sie haben ihren Ursprung im Schwarzwald; doch ein Aufschwung der Kuckucksuhr setzte zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch in der Schweiz ein (die ohnehin für ihre Uhrmachertradition bekannt ist), genauer gesagt im Berner Oberland (Brienz), wo das Gehäuse der Uhr eine Chalet-Form erhielt.30 Kuckucksuhren zählen auch zu den beliebten Hausdekorationen, womit man wieder bei der Verbindung zu Rauschenbergs Combines anlangt, in denen Erinnerungsstücke, aber auch häusliche Elemente wie Fenster, Türen, Wandverkleidungen und Stoffe das Konzept von Zuhause wachrufen.31 Ebenso wie Rauschenberg dadurch Bezug auf Hausdekorationen in seiner Heimat Texas nahm, evoziert auch Tinguely mit dem präparierten Vogel ein Element der Hausdekoration in seiner Heimat, der Schweiz. Dass der präparierte Vogel in Anspielung an die Tradition häuslicher Dekoration in Tinguelys Autoportrait conjugal kopfunter eingesetzt und bei der Inbetriebnahme der Plastik durch das hektische Hin und Her des Metallgitters sehr beansprucht wird, kann vor diesem Hintergrund als ironisches Element gelesen werden, das in Zusammenspiel mit den weiteren familiär geprägten Objekten beziehungsweise Bestandteilen der Arbeit eine Familienordnung bürgerlicher Prägung auf den Kopf stellt.
Abb. 3 Robert Rauschenberg, Trophy III (for Jean Tinguely), 1961, Öl und Druck auf geschnitztem Holzelement mit Autositzfedern aus Metall, Metallleiter, Stoff, Sicherungskasten mit Sicherungen, Schlüssel aus Metall, Ösenhaken und Nägeln, 243,8 × 167 × 26,7 cm, Museum of Contemporary Art, Los Angeles, The Panza Collection
Wie der Titel besagt, geht es beim Autoportrait conjugal nicht nur um das selbst geschaffene Bildnis der eigenen Person, sondern vielmehr um eine Selbstdarstellung, die das eigene Individuum in der gesetzlich und damals meist kirchlich anerkannten Lebensgemeinschaft zweier Personen betrifft. Zur Darstellung dieses Zusammenlebens kommen Elemente, die auf ein kleines Kind verweisen und damit die dargestellte Lebensgemeinschaft als diejenige eines Elternpaars beziehungsweise einer Familie erweitern.32 Dadurch wird Tinguelys eheliches Selbstporträt als Selbstdarstellung im Rahmen eines Beziehungsgeflechts lesbar.
Schimmel hebt des Weiteren hervor, dass die zahlreichen Bildverweise in Rauschenbergs Combines «weave an intricate web of associations that figure the artist through his relationship to his family, friends, artistic companions, and work […]».33 Eine Interpretation, die Tinguelys eheliches Selbstporträt und die Combines näher rückt. Schliesslich beobachtet Schimmel in der Serie der Combines die Entwicklung einer sehr persönlichen Erkundung des Autobiografischen hin zu einer distanzierteren Art der Selbstdarstellung, die sich gleichermassen in den zwischen 1959 und 1962 entstandenen Trophies, einer fünfteiligen Serie von Hommagen an seine engen Künstlerfreunde, darunter Jean Tinguely, widerspiegelt.34
Laut Rauschenberg selbst soll Trophy III (for Jean Tinguely), das auf das Jahr 1961 datiert wird (Abb. 3), direkt in Tinguelys Atelier in der Impasse Ronsin entstanden sein.35 Andres Pardey konnte 2020 anhand einer Fotografie von Joggi Stoecklin nachweisen, dass der grosse Bilderrahmen tatsächlich an einer Wand in der Impasse Ronsin gehangen hatte.36 Annja Müller-Alsbach und Heinz Stahlhut haben Trophy III als «Ausdruck und Resultat der Beziehung der beiden Künstler in Kunst und Leben» beschrieben und darauf aufmerksam gemacht, dass beispielsweise die Achse mit zwei kleinen Rädern im oberen linken Teil des Rahmens aus einem Puppenwagen ein «Relikt» aus dem Atelier Tinguely sein könnte. An dieser Stelle möchte ich an diese Positionen anschliessend argumentieren, dass auch die sich auf der rechten Innenseite des monumentalen, auf dem Boden stehenden Rahmens der Arbeit befindende Leiter aus Metall/Eisen, die Müller-Alsbach und Stahlhut als einen «Einstieg ins Bild» und damit als Verbindungselement zwischen der realen und der Kunstwelt bezeichnen,37 zu den genannten Atelier-Relikten Tinguelys gehören könnte, ebenso wie die an der linken Seite des Rahmens hängende Kette mit einem metallenen Gewicht in Form eines glatten Zapfens. Denn identische Elemente – die kleinen Räder eines Puppenwagens, die Metallleiter und die eben erwähnte Kette – sind wesentliche Bestandteile des ehelichen Selbstporträts Tinguelys, wie dies in der Beschreibung eingangs wiedergegeben wurde. In diesem Sinne entpuppen sich Rauschenbergs Trophy III (for Jean Tinguely) und Tinguelys Autoportrait conjugal als Objekte gegenseitiger freundschaftlicher und künstlerischer Beziehung und Verbundenheit.
Abb. 4 Jean Tinguely, Autoportrait, 1988, Mixed-Media-Assemblage; Selbstporträt mit weisser Vogelmaske, bekleidet mit Stofffetzen, Maske, ausgestopfter Vogel, Textilien, Gummi, Seile, Ketten, Motor, Riemenscheiben, 230 × 760 × 200 cm, Centre Pompidou, Paris; Geschenk des Künstlers (1990)
Autoportrait (1988)
Wenden wir uns nun dem späteren Werk zu, dem Autoportrait von 1988 (Abb. 4).38 Die installative und bewegliche Arbeit enthält neben Gummi- und Netzteilen eine weisse Maske, die mit einem Vogelgesicht bemalt ist. Auf der rechten Schulter dieser mit Stofffetzen bekleideten Figur ist ein präparierter Greifvogel − ein Schwarzmilan (Milvus migrans) − positioniert. Die langen, rostigen Ketten verbinden die von der Decke hängende Assemblage mit einem grossen Rad, unter dem sich ein kleiner Motor verbirgt. Dieser treibt das Werk in regelmässigen Abständen an und versetzt das Rad in eine langsame Rotation, wodurch die Ketten nacheinander gezogen werden und die Figur sich um die eigene Achse ungefähr in einem 90-Grad-Winkel dreht, um dann die Richtung zu wechseln und die Bewegung im Loop zu wiederholen.39
Das Werk wurde erstmals im Pariser Centre Pompidou im Dezember 1988 anlässlich der dritten und letzten Etappe der Tinguely-Retrospektive ausgestellt40 und dann vom Künstler im Jahre 1990 der Institution geschenkt. Die bisherigen Interpretationen der Arbeit beschreiben sie als «selbstironisches Selbstporträt, worin das ‹alter ego› des Künstlers, eindrucksvoll in sein letztes Fasnachtskostüm eingekleidet, nach dem Willen eines großen Rades tanzte».41 Diese dichte Charakterisierung von Violand-Hobi beinhaltet Aspekte, die es sich lohnt, ausführlicher darzulegen. Das sich bewegende Rad verursacht knarrend-klirrende Geräusche, die dem Werk – entstanden drei Jahre vor Tinguelys Tod – eine sinistre und makabre Symbolik verleihen. Die rotierende Bewegung der Gestalt kann als eine Art Totentanz interpretiert werden. So kann das Rad im Autoportrait ein mittelalterliches Folter- und Hinrichtungsgerät evozieren – unter anderem Marterrad, Justizrad, Sühnerad oder ähnlich genannt −, auch wenn der Körper der Gestalt sich nicht direkt darauf befindet, sondern aus der Entfernung vom Rad bewegt wird.
Ab den 1970er Jahren widmet sich Tinguely in seinen Werken durch Referenzen an die Bildwelt des Mittelalters und den Totentanz vermehrt der Figur des Todes.42 Er sagt, seine Beschäftigung mit dem Tod sei seine Art, ihn zu bekämpfen. Aus diesem Grunde mache er «ein Spiel, einen Tanz, einen Totentanz mit diesem Tod. Ich spiele mit ihm, ich versuche, ihm die lange Nase zu machen, mit ihm Unfug zu treiben […]».43 Von dieser Zeit an bezog Tinguely auch Elemente der Fasnacht mit ein: Ab dem Jahr 1974 war Tinguely Mitglied der Basler Fasnachtsclique namens Kuttlebutzer (die Kuttelreiniger). Er versorgte die Gruppe wiederholt mit Materialien und fertigte Requisiten und Masken für sie an.44 Im Jahr 1986 erfolgte die satirische Umwandlung der Kuttlebutzer-Clique in eine Aktiengesellschaft, die sich fortan den Namen KAFKA AG gab, ein Akronym, das aus den Anfangsbuchstaben von Kuttlebutzer Autonome Fasnachts Kommerzialisierung AG gebildet wurde. Im Jahr 1988 wurde die KAFKA AG für insolvent erklärt und Tinguely würdigte die Bankrotteure mit seinem sogenannten Pleitegeier-Kostüm, das aus den im Selbstporträt wiederzufindenden Lumpen, Netzen und Ketten zusammengesetzt wurde. Der Pleitegeier steht umgangssprachlich als scherz- oder boshafte Bezeichnung für ein insolventes Unternehmen.
Auf der Maske – einer für die Basler Fasnacht typischen Larve, die allerdings mit einer Elefantenrüssel-ähnlichen langen Nase versehen ist – ist der Kopf eines Vogels abgebildet. Bekanntlich ermöglichen die Maske und der Akt der Demaskierung – wie der Theaterwissenschaftler Friedemann Kreuder schreibt – ein ästhetisches Oszillieren zwischen Wahrheit und Illusion, welches der Maske als Dialektik von Zeigen und Verdecken inhärent ist und ein mimetisches Wechselspiel von Identität, Differenz und Aneignung durchscheinen lässt.45 Im theatralischen Zusammenhang wurden die von den Schauspielern getragenen Masken in der Antike als persona bezeichnet.
Die Figur im Autoportrait stellt damit eine Weiterführung von Steve Bakers Ästhetik des postmodernen Tieres in der bildenden Kunst dar: Dabei geht es um die künstlerische Verwendung einer tierischen Bildlichkeit und um die Identifikation der Künstler:innen mit einem Tier.46 Vor diesem Hintergrund zählt Tinguely zugleich auch zu denjenigen Künstler:innen, die «ein experimentelles Tier-Werden im Rahmen von performativen Kunstwerken erproben und damit alternative, post-humane und nicht anthropozentrische Perspektiven» einnehmen, wie die Kunsthistorikerin Jessica Ullrich den Animal Turn in der Kunst des 21. Jahrhunderts charakterisiert.47
Noch ein weiteres Element gehört zu dieser tierischen Bildlichkeit: Teil dieser Maskierung ist auch der präparierte Schwarzmilan auf der Schulter. Bezeichnenderweise heisst Tinguelys erster Sohn, der aus der Beziehung mit der Partnerin Micheline Gygax im Jahr 1973 geboren ist, Milan. Damit schreibt sich auch in dieses Werk eine familiäre Verbindung ein. Eine weitere Arbeit zeigt den Stellenwert dieses Vogels für Tinguely über die Jahre hinweg. Tinguely und Niki de Saint Phalle hatten gemeinsam mit Bernhard Luginbühl eine Einladung von Pontus Hultén, dem Gründungsdirektor des Centre Pompidou, angenommen und waren im Jahr 1977 zur Eröffnung dieses Kunst- und Kulturzentrums damit beauftragt worden, ein Werk zu realisieren. Die in künstlerischer Zusammenarbeit entstandene, begehbare Installation, ein als Crocrodrome bezeichnetes Spasshaus aus Alteisen, wurde von Tinguely mit einer Geisterbahn versehen.48 In einem Video zur Arbeit, das teilweise die Fahrt der Geisterbahn zeigt, fällt ein ähnlicher Vogel wie derjenige des Autoportrait von 1988 auf.49
Tinguely pflegte auch privat eine Beziehung zu Vögeln: Der Künstler hielt in den 1970er Jahren einen Wanderfalken.50 Im Dokumentarfilm Tinguely aus dem Jahr 2011 erzählt Bloum Cardenas, Enkelin von Niki de Saint Phalle, eine Anekdote, wonach die Künstlerin um 1970 einen Falkner als Lover gehabt habe: Um ihr zu imponieren, legte sich Tinguely einen Falken zu.51 Der Wanderfalke ist das schnellste Tier der Welt − es liegt auf der Hand, dass dieser Vogel auch Tinguelys bekannte Leidenschaft für die Geschwindigkeit versinnbildlicht.
Das Autoportrait ist jedoch vielschichtiger, lauteten doch seine früheren Titel Krasucki und Le Philosophe. 52 Wie bereits dargelegt, zeigte sich Tinguely in Bezug auf die Werktitel als flexibel. Die Gründe für die Änderung des Titels der Arbeit durch Tinguely sind nach aktuellem Kenntnisstand noch ungeklärt.
Zum ersten Titel, Krasucki: Eine Recherche zum Namen führt zu Henri Krasucki, einem französischen Widerstandskämpfer und führenden Gewerkschafts-funktionär.53 Krasucki wurde als Sohn eines Textilarbeiters geboren und emigrierte im Alter von zwei Jahren gemeinsam mit seinen Eltern, jüdischen Kommunisten, nach Frankreich, um dem autoritären Regime in Polen zu entfliehen. Er wurde Mitglied in der kommunistischen Jugend und übernahm im Sommer 1942 die Leitung der Jugendorganisationen der jüdischen Sektion in Paris. Am 23. März 1943 wurde Krasucki verhaftet und wie seine Familie nach Auschwitz und Buchenwald verschleppt. Nach seiner Befreiung aus dem KZ Buchenwald kehrte er nach Paris zurück und war als Metallarbeiter tätig, unter anderem bei der Automobilfirma Renault. Innerhalb der Gewerkschaft namens Confédération Générale du Travail bekleidete er von 1982 bis 1992 das Amt des Generalsekretärs.
Durch den Hinweis auf den ersten früheren Titel des Selbstporträts lassen sich an dieser Stelle sowohl Parallelen zu Tinguelys politischer Haltung als auch Resonanzen zu Aspekten seines künstlerischen Œuvres kursorisch hervorheben. So trat Tinguely im Jahr 1943 der Freien Jugend bei, einer damals illegalen Jugendbewegung, die von kommunistischen Ideen geprägt war.54 Und Krasuckis Deportation ins Konzentrationslager ruft Tinguelys Beschäftigung mit dem Thema des Holocaust in Erinnerung sowie allgemein mit dem Tod;55 seine Tätigkeit bei Renault die künstlerische Arbeit Pit-Stop (1984), welche die Leidenschaft des Künstlers für Autorennen verkörpert und aus Wagen der Firma besteht.56
Zum zweiten Titel, Le Philosophe: Der Zeitpunkt der erstmaligen Ausstellung des Autoportrait korrespondiert mit der Schaffung der Philosophen-Gruppe im Centre Pompidou im Jahr 1988, die im Rahmen einer Retrospektive zu seinem Œuvre präsentiert wurde. Die durchaus ironisch gemeinte 29-teilige Skulpturen-Gruppe umfasst nicht nur Denker der Neuzeit, die den Künstler in seinen frühen Jahren beeinflusst haben, sondern enthält auch Hommagen an Künstler-freund:innen wie Yves Klein, Bernhard Luginbühl oder Eva Aeppli. Corinne Gasser führt aus, dass Tinguely die Namen einiger Skulpturen der Gruppe mehrfach modifizierte, bevor er sich für eine endgültige Bezeichnung entschied, und dass nachträglich weitere Figuren hinzugefügt wurden.57 Violand-Hobi gibt ein Zitat wieder, wonach die Skulpturen der Philosophen-Gruppe laut dem Künstler «eine Zusammenfassung meiner Beziehungen zu den Philosophen, die ich lese […]» repräsentieren.58
Zum dritten und letzten Titel, Autoportrait: Wenn Tinguely ein ursprünglich für die Philosophen-Gruppe geschaffenes Werk als Selbstporträt umgetauft und inhaltlich neu ausgerichtet hat, kann dies einerseits als ironisches Spiel mit dem Künstler-Selbstverständnis gedeutet werden – Tinguely überhöht sich zum (Künstler-) Philosophen –, und andererseits kann dies als ein ernsthafterer Versuch interpretiert werden, ein tieferes Verständnis des Menschenbildes im Spannungsfeld des individuellen Daseins und Zeitgeschehens zu reflektieren und zum Ausdruck zu bringen. Die Kultur- und Kunstmarktjournalistin Annegret Erhard betrachtet Tinguely bezeichnenderweise als «ein[en] Philosoph[en], der in seinen Gedanken und Werken versuchte, das Leben, seinen Sinn, seine Sinnlosigkeit, zu erfassen».59
Ästhetik und Tier-Ethik
So viel zu den kunst- und kulturhistorischen Referenzen, ästhetischen und sozialen Dimensionen sowie zum Künstlerselbstverständnis in Tinguelys Selbstporträts, die in Zusammenhang mit den enthaltenen präparierten Vögeln stehen. Das Integrieren präparierter 9/13 Vögel fördert in diesen amimetischen Arbeiten des Weiteren eine Intersektion von Ästhetik und Tier-Ethik zutage, das heisst der moralischen Aspekte beim Umgang des Menschen mit Tieren, die sowohl die künstlerische als auch die kuratorische Ebene betreffen.
Beim präparierten Vogel in Tinguelys Autoportrait conjugal handelt es sich in dieser Ausführung um einen Bergfinken. Ursprünglich wurde ein Steinrötel (Monticola saxatilis, Jungvogel oder Weibchen) eingesetzt. Das bedeutet, dass aus konservatorisch-restauratorischer und kuratorischer Perspektive der präparierte Vogel (sowie das Gummiband, an dem er hängt) im Laufe der Zeit ausgetauscht werden kann.60 Oder anders gesagt: Er muss ersetzt werden, denn die physische Beanspruchung des bereits toten (leichten) Tiers bei der Inbetriebnahme des Motors und sein darauffolgendes pendelartiges Zusammenprallen mit dem vergleichsweise schweren Eisengewicht besitzt auf längere Dauer eine – für Tinguelys künstlerisches Werk nicht untypische − Zerstörungskraft. Der kopfunter hängende Vogel baumelt zu Beginn und dreht sich unkontrolliert um die eigene Achse; nachdem der Motor aufgehört hat, die Leiter zu bewegen, pendelt er noch eine Weile und prallt mit dem Eisengewicht zusammen, bis die Bewegung endgültig ausgeklungen ist. Der Vogel wird dabei derart beschädigt, dass er gewechselt werden muss, um ausstellbar zu sein. Das Autoportrait conjugal Tinguelys besteht wie eingangs dargelegt unter anderem aus Rädern eines Kinderwagens und einer Metallleiter, die, in Bewegung versetzt, ein klapperndes, ratterndes und klirrendes Geräusch verursachen, das als eher unangenehm wahrgenommen wird.61 Im Eintrag zum Werk im Ausstellungskatalog Tinguely im Kunstmuseum Basel. Geschenke des Künstlers, Deposita, bisheriger Bestand werden für die Inbetriebnahme 110 Volt angegeben.62 Das Quietschen des sich dabei hektisch bewegenden Altmetalls wird in diesem Werk als skulpturales Material eingesetzt und evoziert im Zusammenspiel von Bild und Geräusch das Zwitschern eines leidenden Vogels. Aktivistische Positionen nicht nur innerhalb der Animal Studies und der Tierethik könnten einwenden, dass es ethisch fragwürdig sei, das bereits tote Tier dieser Form von physischer Beanspruchung beziehungsweise Gewalt auszusetzen. Fragen nach einer ethisch vertretbaren Art und Weise, wie man eine solche Arbeit mit tierischen Überresten in Bewegung ausstellt und auch zeigt – bedarf es einer Trigger-Warnung? Sollen eher Filmstills gezeigt werden? Soll die Geschwindigkeit noch mehr gedrosselt werden? –, drängen sich auf, deren ausführliche Behandlung den Rahmen dieses Aufsatzes allerdings sprengen würde. Ferner lässt sich eine weitere Dimension, die Ästhetik und Ethik verbindet, ausmachen. Auf Rauschenbergs Combines zurückkommend, lässt sich eine Auseinandersetzung in Zusammenhang mit der Arbeit Canyon in Erinnerung rufen. Nach dem Ableben seiner Besitzerin, Ileana Sonnabend, war das Werk Gegenstand einer Kontroverse über die Eigentumsverhältnisse, ausgelöst durch die Integration des präparierten Steinadlers, einer gefährdeten Tierart, in die Arbeit. Denn gemäss dem Bald and Golden Eagle Protection Act von 1940 sowie dem Migratory Bird Treaty Act von 1918 war der Verkauf von Canyon nach amerikanischem Recht untersagt. Daraus resultierte schliesslich eine Schenkung des Werks an das Museum of Modern Art im Jahr 2012.
Mit Blick auf das Thema des Präparierens liesse sich zum Selbstporträt von 1988 auch auf die Relevanz dieser wissenschaftlichen und historischen Kulturtechnik hinweisen, die im Spannungsverhältnis zwischen Natur(treue) und Kunsthandwerk auch emotionelle Ebenen wie Verbundenheit und Erinnerung zu berücksichtigen ermöglicht.
Schlussbemerkungen aus der Vogelperspektive
In ihrer Untersuchung zeigt Petra Lange-Berndt, dass die künstlerische Auseinandersetzung mit präparierten Tieren in der Kunst des 20. Jahrhunderts die Anknüpfung an übergeordnete Kontexte ermöglicht, so zum Beispiel an Naturvorstellungen, traditionelle Auffassungen von Subjektivität, an geschlechtliche Identität oder den Umgang mit dem Tod.63
Ausgehend von der Präsenz der präparierten Vögel in Tinguelys Selbstporträts hat der vorliegende Beitrag verschiedene Bedeutungszusammenhänge dargelegt. Während Tinguelys Autoportrait conjugal von 1960 durch Verweise auf das Häusliche und Familiäre eine Dezentrierung des Künstlers von der Darstellung der eigenen Person hin zur Darstellung einer Lebensgemeinschaft zutage fördert und zugleich die bürgerlich geprägte Institution der Ehe auf den Kopf stellt, stehen im Autoportrait von 1988 autobiografische Bezüge stärker im Vordergrund: Der präparierte Vogel deutet auf die grosse Affinität des Künstlers zu diesem nicht-menschlichen Lebewesen und dessen Eigenschaften hin und verweist in Kombination mit dem Fasnachts-kostüm und der mit einem Vogelgesicht bemalten Maske auf eine Verwischung der Identitäten von Mensch und Tier. Der Vogel wird im Autoportrait zu einer Art Stellvertreter, zu einem Anderen im Selbst. Weitere Bezüge auf Themen, die Tinguely beschäftigten und die er künstlerisch ausgehandelt hat, wie Tod und menschliche Massenvernichtung sowie Philosophie, gehören auch zum späten Selbstporträt.
Vor dem Hintergrund des bisher Dargelegten kristallisieren sich die präparierten Vögel in den Selbstporträts Tinguelys als ein Element der relationalen Verbindungen heraus, das es ermöglicht, Beziehungsgeflechten des Künstlers auf die Spur zu kommen. Sie tragen dazu bei, sein Verhältnis zur Familie, zu seinen Lebens- und künstlerischen Weggefährt:innen sowie zu seiner Arbeit zu beleuchten. Im Fokus steht das posthumane Zusammenspiel der Vielzahl komplexer Beziehungen zwischen Menschlichem und Nicht-Menschlichem, Organischem und Technischem, welche sich in den Selbstporträts Tinguelys anlagern und Tinguelys «Selbste» auszeichnen. Nicht zuletzt legen aus heutiger Perspektive die präparierten Vögel im Kunstkontext auch unser Verhältnis zu tierischen Überresten offen und zeigen auf, wie Tinguelys Kunst an aktuelle Diskurse anknüpfen kann.
- Vgl. Müller, Dominik, Jean Tinguely. Motor der Kunst, Basel 2024, S. 33−35.
- Pardey, Andres, «Jean Tinguely in der Impasse Ronsin – Die Künstlersiedlung als kreativer Ort?», in: Impasse Ronsin. Mord, Liebe und Kunst im Herzen von Paris, hg. v. Museum Tinguely, Ausst.-Kat. Museum Tinguely, Basel 2020–2021, Heidelberg 2020, S. 10−19, hier S. 12; zu Merkmalen der späteren Selbstdarstellung Tinguelys vgl. ferner Guisolan-Dreyer, Colette, «Bleu de travail et foulard, des méta-accessoires», in: Jean Tinguely. Mythos und Nachleben. Akten des interdisziplinären Kolloquiums, 19.−20.5.2016, Freiburg, hg. v. Clavien, Alain/Hauser, Claude/Gelshorn, Julia/Schuster Cordone, Caroline, Freiburg 2016, S. 87−109.
- Der einzige bisher mir bekannte Text zum Werk ist zu finden in: Tinguely im Kunstmuseum Basel. Geschenke des Künstlers, Deposita, bisheriger Bestand, hg. v. Meyer, Franz, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel 1976−1977, Basel 1977, S. 18–19, Abb. S. 18 und unverändert auch in: Jeannot an Franz. Briefe und Zeichnungen von Jean Tinguely an Franz Meyer, hg. v. Museum Tinguely, Ausst.-Kat. Museum Tinguely, Basel 2003–2004, Bern 2003, S. 72, vgl. auch S. 13, 94, Abb. S. 73; das Selbstporträt wird ohne Text in folgenden Publikationen abgebildet: Katz, Katharina (Hg.), Öffentliche Kunstsammlung Basel. 20. Jahrhundert, Basel 1997, Abb. S. 242; Bischofberger, Christina (Hg.), Jean Tinguely. Werkkatalog. Skulpturen und Reliefs 1954−1968. Bd. I, Küsnacht/Zürich 1982, Nr. 149, Abb. S. 119; erwähnt wird es auch in Norbert Kricke, Bernhard Luginbühl, Jean Tinguely, hg. v. Meyer, Franz, Ausst.- Kat. Kunsthalle Bern 1960, Bern 1960, Nr. 50, ohne Abbildung und Seitenangabe.
- Das Werk wurde anlässlich der Jubiläumstagung zum 100. Geburtstag Tinguelys im Jahr 2025 neu dokumentiert: Philipp Selzer, Kurator im Kunstmuseum Basel und seinem Team, dem Konservator-Restaurator im Museum Tinguely Jean-Marc Gaillard und allen an der Entstehung des audiovisuellen Materials Beteiligten sei herzlich gedankt.
- Müller-Alsbach, Annja/Stahlhut, Heinz, «‹Don’t Worry. We’re Real Artists.› Die Zusammenarbeit zwischen Jean Tinguely und Robert Rauschenberg», in: Robert Rauschenberg − Jean Tinguely. Collaborations, hg. v. Museum Tinguely, Ausst.-Kat. Museum Tinguely, Basel 2009–2010, Bielefeld 2009, S. 15−113, hier S. 107.
- Ebd.
- Vgl. zu ähnlichen Arbeiten Lange-Berndt, Petra, Animal Art. Präparierte Tiere in der Kunst 1850−2000, München 2009, S. 35.
- Violand-Hobi, Heidi E., Jean Tinguely. Biographie und Werk, München/New York 1995, S. 44.
- Vgl. Müller-Alsbach/Stahlhut 2009, S. 107 (wie Anm. 5).
- Violand-Hobi 1995, S. 45−46 (wie Anm. 8).
- Gasser, Corinne, «Ballet des Pauvres», in: Museum Tinguely Basel. Die Sammlung, hg. v. Museum Tinguely, Samml.-Kat. Museum Tinguely, Heidelberg/Berlin 2012, S. 76−77.
- Meyer 1977, S. 22 (wie Anm. 3), schreibt: «Das ungebändigte, Wilde und Urtümliche der Arbeiten von 1960 entsprach wohl auch der Partnerschaft mit Eva Aeppli, mit der Tinguely seit 1951 verheiratet war. Hultén hat die Stimmungsänderung, die sich 1961 in Tinguelys Arbeiten abzeichnet, mit der neuen Partnerin, Niki de Saint Phalle, in Verbindung gebracht.»
- Violand-Hobi 1995, S. 46−47, 91, 154−156 (wie Anm. 8).
- Meyer 1977, S. 18 sowie ders., in: Ausst.-Kat. Museum Tinguely, Basel 2003, S. 72 (wie Anm. 3).
- Hahnloser, Margrit, «Franz Meyer – Jean Tinguely», in: ebd.
- Vgl. Lange-Berndt 2009 (wie Anm. 7).
- Ebd., S. 33, S. 47, Fn. 99 und S. 102, 104.
- Ebd., S. 55.
- Kraft, Manuela, «Chronologie», in: Müller-Alsbach/Stahlhut 2009, S. 201−237, hier S. 204 (wie Anm. 5).
- Tinguely und Rauschenberg arbeiteten zum Beispiel bei der Zerstörungsaktion Homage to New York im Jahr 1960 zusammen. Die Kooperation der beiden erstreckte sich über einen Zeitraum von zwei Jahren, von Mitte März 1960 bis Ende September 1962, vgl. Müller-Alsbach/Stahlhut 2009, S. 107 (wie Anm. 5).
- Vgl. Lange-Berndt 2009, S. 77 (wie Anm. 7).
- Vgl. Lange-Berndt, Petra, «Das Ende der Trophäen. Eine kurze Geschichte präparierter Tiere in der Kunst/The Demise of Trophies. A Short History of Taxidermied Animals in Art», in: Möbel als Trophäe/Furniture as Trophy, hg. v. Noever, Peter, Ausst.-Kat. Museum für angewandte Kunst, Wien 2009, Nürnberg 2009, S. 100−119, hier S. 104.
- Vgl. Schimmel, Paul, «Autobiography and Self-Portraiture in Rauschenberg’s Combines», in: Robert Rauschenberg. Combines, hg. v. The Museum of Contemporary Art, Los Angeles, Ausst.-Kat. The Metropolitan Museum, New York 2005−2006/The Museum of Contemporary Art, Los Angeles 2006/Musée National d’Art Moderne, Centre Georges Pompidou, Paris 2006−2007/Moderna Museet, Stockholm 2007, Göttingen/Los Angeles 2005, S. 211−229, hier S. 211, 228.
- Vgl. ebd., S. 218.
- Lange-Berndt 2009, S. 33, S. 47, Fn. 99 und S. 102, 104 (wie Anm. 7).
- Ebd., S. 82.
- Stuckey, Charles, «Minutiae and Rauschenberg’s Combine Mode», in: Robert Rauschenberg. Combines 2005, S. 199−209, hier S. 209 (wie Anm. 23).
- Vgl. Meyer 1977, S. 22 (wie Anm. 3); Müller 2024, S. 89−90 (wie Anm. 1).
- Violand-Hobi 1995, S. 44−45 (wie Anm. 8).
- Vgl. Kuckucksuhr – mon amour. Faszination Kuckucksuhr, hg. v. Scholz, Julia, Ausst.-Kat. Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen 2013, Stuttgart 2013.
- Vgl. Schimmel 2005, S. 211 (wie Anm. 23).
- Die 1951 geborene Tochter von Aeppli und Tinguely, Miriam, blieb nach dem Umzug der beiden im Jahr 1952 nach Paris bei den Eltern des Künstlers in Genf zurück und wächst später in der Nähe von Fribourg auf.
- Schimmel 2005, S. 221 (wie Anm. 23).
- Vgl. ebd., S. 227, 211.
- Vgl. Müller-Alsbach/Stahlhut 2009, S. 109 (wie Anm. 5).
- Pardey 2020, S. 16 und ebd. Fn. 17, Abbildung auf S. 14 (wie Anm. 2).
- Vgl. Müller-Alsbach/Stahlhut 2009, S. 108 (wie Anm. 5).
- Website Centre Pompidou: https://www.centrepompidou.fr/fr/ ressources/oeuvre/cApBxM (Zugriff am 10.2.2025); Bischofberger, Christina (bearbeitet von), Jean Tinguely. Werkkatalog, Skulpturen und Reliefs 1986−1991, Bd. 3, Meilen/Zürich 2005, Kat. 792, S. 79; vgl. auch Müller, Dominik, «Biografie. Das Leben von Jean Tinguely», in: Museum Tinguely Basel 2012, S. 377−513, hier S. 458−459, Abb. 216 (wie Anm. 11).
- Für einen Eindruck des Werks in Bewegung vgl.: https://www. youtube.com/watch?v=mUUDiiy35_Q (Zugriff am 12.5.2025).
- Violand-Hobi 1995, S. 155−156 (wie Anm. 8). Dabei handelt es sich um die dritte und letzte Etappe der Wanderausstellung zu seinem künstlerischen Œuvre, die mit der Schau im Jahr 1987 im Palazzo Grassi in Venedig begonnen hat, vgl. dazu Gasser, Corinne, «Pjotr Kropotkin, Philosoph», in: Museum Tinguely Basel 2012, S. 146−151, hier S. 146 (wie Anm. 11).
- Violand-Hobi 1995, S. 46−47, 91, 154−156 (wie Anm. 8).
- Vgl. Morineau, Camille/Pesapane, Lucia, «Direttore d’orchestra/ Orchestra Conductor», in: Morineau, Camille/Pesapane, Lucia/ Todolí, Vicente/Griccioli, Fiammetta, Tinguely, Venedig 2024, S. 22−31, hier S. 29.
- Vgl. Suter, Rudolf, «Mengele-Totentanz», in: Museum Tinguely Basel 2012, S. 130−137, Zitate S. 132, mit weiterführender Literatur (wie Anm. 11).
- Vgl. Violand-Hobi 1995, S. 90−93 (wie Anm. 8); Müller 2024, S. 163−172 (wie Anm. 1).
- Vgl. Kreuder, Friedemann, «Maske/Maskerade», in: Metzler Lexikon Theatertheorie, hg. v. Fischer-Lichte, Erika/Kolesch, Doris/Warstat, Matthias, Stuttgart 2005, S. 203–205, bes. S. 203–204.
- Vgl. Baker, Steve, The Postmodern Animal, London 2000, S. 18
- Ullrich, Jessica, «Kunst», in: Lexikon der Mensch-Tier-Beziehungen, hg. v. Ferrari, Arianna/Petrus, Klaus, Bielefeld 2015, S. 206–211, hier S. 210.
- Vgl. Violand-Hobi 1995, S. 104−106 (wie Anm. 8).
- Vgl. Website Museum Tinguely, Rubrik Gemeinschaftsprojekte der 1960er und 1970er Jahre, https://www.tinguely.ch/de/tinguelysammlung-restaurierung/tinguely-biographie.html (Zugriff am 22.5.2025).
- Vgl. Müller, in: Museum Tinguely Basel 2012, S. 422, Abb. 126 (wie Anm. 11) sowie Website Museum Tinguely: https://www.tinguely. ch/meta/de/jeantinguely?metaview=activitiesActiveArea (Zugriff am 12.3.2025).
- Thümena, Thomas, Tinguely, Dokumentarfilm, 2011, 35 mm, farbig und s/w, mit Ton, 87 Min., hier 37'14"−38'17", vgl. https://www. swissfilms.ch/de/movie/tinguely/796477511fbf481c9303d3b273e8 d8f2 und hier abrufbar. Ich verdanke den Hinweis zu diesem Dokumentarfilm Giorgio Bloch.
- Der Eintrag zum Werk in der Datenbank des Centre Pompidou mit Datum 15.11.1990 enthält folgenden Kommentar: «Le titre de l’œuvre fut changé par l’artiste à 2 reprises: d’abord: ‹Krasucki›, puis ‹Le Philosophe› et enfin: ‹Autoportrait›». Diese Information verdanke ich Odile Rousseau, Kuratorin des Museums; vgl. auch die Website Centre Pompidou: https://www.centrepompidou.fr/fr/ ressources/oeuvre/cApBxM, wo allerdings zurzeit nur der frühere Titel Krasucki ausgewiesen ist (Zugriff am 10.2.2025).
- Zu ausführlichen Informationen bezüglich Henri Krasucki vgl.: https://www.fondationresistance.org/pages/rech_doc/portrait-3. htm sowie https://maitron.fr/spip.php?article137530, notice KRASUCKI Henri [KRASUCKI Hénoch, dit Henri] von Christian Langeois, Version online gestellt am 13.7.2011, zuletzt geändert am 10.2.2022 (Zugriff am 14.3.2025).
- Vgl. Rimmaudo, Annalisa, «Jean Tinguely, una meta-biografia/ Jean Tinguely, a Meta-Biography», in: Morineau/Pesapane/Todolí/ Griccioli 2024, S. 242−257, hier S. 243 (wie Anm. 42).
- Im Werk Mengele-Totentanz spiegelt sich dies in exemplarischer Weise wider, vgl. dazu Suter, Rudolf, «Mengele-Totentanz», in: Museum Tinguely Basel 2012, S. 130−137 (wie Anm. 11).
- Zu Pit-Stop, einer von Renault im Rahmen des Kunstförderungsprogramms «Recherches Art et Industrie» in Auftrag gegebenen Arbeit vgl. Suter, Rudolf, «Pit-Stop», in: Museum Tinguely Basel 2012, S. 124−125 (wie Anm. 11).
- Gasser, in: Museum Tinguely Basel 2012, S. 146−151, hier S. 146 (wie Anm. 11).
- Violand-Hobi 1995, S. 156 und Quelle zum Zitat bei Fn. 11, S. 168 (wie Anm. 8): Jean Tinguely im Gespräch mit Roger Anderegg: «ich schaue meine eigene Maschine an, und dann gehe ich nach Hause und bin ganz verwirrt», in Sonntags-Zeitung, 11.3.1990.
- Erhard, Annegret, «100 Jahre Tinguely. Ein Philosoph, der in seinen Gedanken und Werken versuchte, das Leben, seinen Sinn, seine Sinnlosigkeit, zu erfassen», in: Kunstforum 304, 2025, S. 254−261, hier S. 254.
- Das Werk befindet sich seit 1976 im Kunstmuseum Basel und der Vogel war schon zu diesem Zeitpunkt Teil des Werks. Ob Jean Tinguely das Werk im Laufe der Zeit verändert hat und den Vogel eventuell zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt hat, ist nicht bekannt. Der kaputte Vogel wurde 2005 seitens des Museum Tinguely nach Rücksprache mit dem Kunstmuseum Basel ausgetauscht: Information der Restauratorin des Kunstmuseums Basel Annette Palmbach, E-Mail-Korrespondenz mit der Autorin des Beitrags am 27.2. und 18.6.2025.
- Vgl. die Beschreibung des Werks in Meyer 1977, S. 18 sowie Meyer in Ausst.-Kat. Museum Tinguely 2003, S. 72 (beide wie Anm. 3) als von einem «nervenzermürbenden Gelärm» begleitet.
- Meyer 1977, S. 18 (wie Anm. 3).
- Vgl. Lange-Berndt 2009, S. 12 (wie Anm. 7).
Bildnachweis:
Abb. 1: © Kunstmuseum Basel, Foto: Max Ehrengruber
Abb. 2: Historisches Archiv der Stadt Köln mit Rheinischem Bildarchiv (RBA C 013485), Foto: Rolf Zimmermann https://museum-ludwig.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/ obj/05020794
Abb. 4: © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. GrandPalaisRmn / Philippe Migeat, Christian Bahier, Bildverweis: 4R09769 [1990 CX 0466]
© Robert Rauschenberg Foundation für die reproduzierten Werke von Robert Rauschenberg
© 2025, ProLitteris, Zürich, für die reproduzierten Werke von Jean Tinguely
Fabiana Senkpiel promovierte 2011 im Fach Kunstgeschichte im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts eikones/Bildkritik an der Universität Basel mit einer Dissertation über das Verhältnis von Bild und Zeit am Beispiel der Gattung Selbstporträt. Seit 2016 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Praktiken und Theorien der Künste (IPTK) der Hochschule der Künste Bern.
Tinguely Studies, ##SEPTEMBER## 2025
Wissenschaftliche Online-Zeitschrift
Dieser Beitrag erscheint im Anschluss an die Konferenz «Jean Tinguely Revisited. Kritische Re-Lektüren und neue Perspektiven», 20.–22. März 2025.
Herausgegeben von Museum Tinguely, Basel www.tinguely.ch
Keywords
Autoportrait 1960
Autoportrait 1988
Selbstporträt
Präparierte Vögel
Tierethik