Duisburg

Das Lehmbruck Museum – benannt nach Wilhelm Lehmbruck, einem bedeutenden deutschen Bildhauer der Moderne, und von dessen Sohn Manfred nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut – ist der Skulptur gewidmet. Die Sammlung umfasst Werke von der Moderne bis zur Gegenwart, alle grossen Namen von Hans Arp und Constantin Brâncuși bis zu Erwin Wurm und Ossip Zadkine sind vertreten. Seit 1966 wurde bis heute elf Mal der Wilhelm-Lehmbruck-Preis verliehen. Empfänger sind Bildhauer*innen, die einen herausragenden Beitrag zur Entwicklung der Skulptur geleistet haben. In die Reihe der Preiträger*innen mit Eduardo Chillida, Norbert Kricke, Claes Oldenburg, Joseph Beuys, Richard Serra, Richard Long, Nam June Paik, Reiner Ruthenbeck, Rebecca Horn sowie als bisher letzte Janet Cardiff und George Bures Miller reihte sich 1976 als dritter Preisträger Jean Tinguely ein. Das Lehmbruck Museum würdigt den Preisträger auf seiner Website folgendermassen:

Mit Jean Tinguely (1925-1991) erhielt 1976 ein Künstler den Preis, der das Moment der Bewegung in seine Arbeiten aufnahm. Die aus Eisenteilen, Schrott und weiteren Materialien zusammengebauten Konstruktionen sind zumeist fröhlich-ironische Maschinerien, die mehr oder weniger laut scheppernd den Betrachter in ihren Bann ziehen. Sie stehen gegen alle anderen bildhauerisch verwendeten Materialien und Prinzipien, wirken ebenso subversiv wie unterhaltend. Tinguelys Arbeiten stellen einen einzigartigen Beitrag zur Kunst dar. Das Lehmbruck Museum zeigt Das kleine Männchen (1981) und das Märchenrelief (1978) in seiner Dauerausstellung.

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Plateau agriculturel, 1978, Museum Tinguely, Basel, Donation Micheline und Claude Renard © 2021, Museum Tinguely; Foto: Daniel Spehr

Jede*r Preisträger*in hat im Museum eine Einzelausstellung zugute – Tinguely löste dies 1978 mit einer fulminanten Schau ein, in der sein Werk umfassend gezeigt wurde, und die chronologisch mit zwei Werken endete: Am Ausgang der Ausstellung stand der Bettler, eine Skulptur, die auch heute noch (jetzt allerdings im Kunstmuseum Solothurn (CH)) die Besucher*innen zu Spenden für das Ausstellungshaus animiert. In der Ausstellung war ein Höhepunkt das Märchenrelief, eine Maschinenskulptur, die exemplarisch das Erzählerische im Werk des Schweizer Bildhauers verkörpert, und seine Verbundenheit zu seinem wichtigsten Publikum (wie er selbst dies mehrfach in Interviews äusserte): den Kindern. Anlässlich der Ausstellung war ein Wettbewerb für eine Geschichte über das Werk Tinguelys ausgeschrieben worden, den der damals zehnjährige Dietmar Franzen mit seiner Geschichte über ‘Die tierliebe Frau Meier’ gewann. Es kamen verschiedene Elemente des Märchenreliefs vor, ‘das immer noch tip-tope Auto’, ‘der stolze Adler’, ‘der arme Froschkönig’, ‘eine ziemlich doofe Ente’, ‘ein Löwe, der kaputt war’ und ein ‘rasender Gartenzwerg’. Die Geschichte wurde auf Anregung von Jean Tinguely mit Fotos von Leonardo Bezzola und in der Handschrift von Dietmar Franzen in einem Leporello reproduziert und trug sicher wesentlich zur Popularität des Werks und des Künstlers in Duisburg bei.

Bildnachweis: Jean Tinguely mit Siegfried Salzmann an der Vernissage der Ausstellung Jean Tinguely: Meta-Maschinen im Wilhelm Lehmbruck Museum. Im Raum verteilt stehen Besuchende zwischen den Werken Spirale IV (1969), Méta-Harmonie I (1978), Hannibal II (1967) und Plateau agriculture (1978), Duisburg , 17. Dezember 1978
© Nachlass Leonardo Bezzola