Under Destruction
15. Oktober 2010 – 23. Januar 2011
Zerstörung in der Kunst – 50 Jahre nach Tinguelys Homage to New York
Mit Arbeiten von 20 internationalen Künstlerinnen und Künstlern geht die Gruppenausstellung Under Destruction dem Thema Zerstörung in der zeitgenössischen Kunst nach. Fünfzig Jahre nach Jean Tinguelys sich selbst zerstörenden Maschine Homage to New York (1960) zeigt die Ausstel-lung eine Reihe von alternativen Betrachtungs- und Herangehensweisen an ein Sujet, das traditio-nell eher mit den spektakulären und protestorientierten Arbeiten von Jean Tinguely, Gustav Metzger und anderen Künstlern der 1950er und 1960er Jahre in Verbindung gebracht wird. Die Ausstellung nähert sich dem Thema aus verschiedenen Blickwinkeln: Zerstörung zeigt sich hier als schöpfe-rische Kraft und ökologisches Memento Mori, als Konsumabfall und poetische Transformation. Neben spektakulären Werken gibt es solche, die von unerwarteter Feinheit und Stille zeugen.
Bei Monica Bonvicinis Bodenarbeit Plastered (1998) handelt es sich um eine aus Rigipsplatten und Styropor bestehende Fläche, die auf dem gesamten Boden des Ausstellungsraums ausgelegt ist und vom Publikum nach und nach zertreten wird. Die Arbeit ist ein beredtes Zeugnis dafür, wie Bauwerke durch ihren Gebrauch zerfallen oder wie Fläche zu Landschaft wird. In Nina Canells Arbeit Perpetuum Mobile (40kg) (2009-2010) wird Wasser durch schnelle Schallschwingungen in Nebel verwandelt, der zur Aushärtung von in der Nähe aufgestelltem Zementpulver führt und so einen Kreislauf komplementärer Stoffe zeigt. In Cinéopolis (2007) von Alex Hubbard wird die Zerstörung als kleines, groteskes Meisterwerk inszeniert. Unterlegt mit einer vom Künstler selbst produzierten Geräuschtonspur zeigt das Video aus der Vogelperspektive, wie Hubbard eine Reihe von Gegenständen zerstört, die eine moder-nistische und malerische Formensprache aufnehmen. So bringt er etwa metallicfarbene Luftballons mit einer Flamme zum Platzen und beschmiert im Anschluss die Leinwand mit Teer und Federn. Für die Serie Modern Paintings (1999-2000) von Pavel Büchler hat der Künstler auf Flohmärkten erworbene Gemälde von ihren Rahmen gelöst, in der Waschmaschine gewaschen, um sie dann im Stil von Art Brut-Abstraktionen neu aufzuziehen. Nina Beiers und Marie Lunds History makes a Young Man Old (2008) lässt das Thema Technik hinter sich und sucht als Performance das Gefühl eines durch Zeit und Gebrauch bedingten Ver-falls zu vermitteln: Die beiden Künstlerinnen rollen eine Kristallkugel, die sie am jeweiligen Ort der Ausstellung gekauft haben, zum Ausstellungsort. Die wenig aufwendige und doch höchst aus-sagekräftige Arbeit inszeniert den Verlust von Klarheit durch die Folgen der Abnutzung. Johannes Vogls absurde Installation Ohne Titel (Marmeladenbrotstreichmaschine, 2007) – streicht auf nutzlos repetitive Weise Marmeladenbrote und wird so zum Sinnbild für Überproduktion und Abfall.
Das Unbehagen angesichts der Identitätsbildung durch Anhäufung von Dingen in der Konsum-gesellschaft ist Thema der Videodokumentation von Michael Landys berühmter Aktion Breakdown (2001), in der der Künstler sein ganzes Hab und Gut im Umfang von 7.227 Besitztümern katego-risierte, auseinander nehmen liess und in einem Kaufhaus im Zentrum von London zerstörte.
Alexander Gutkes Werk The White Light of the Void (2002) zeichnet sich durch Monotonie und Wiederholung aus. Es handelt sich hierbei um einen 16mm-Film, der das Durchbrennen von leerem Filmmaterial simuliert, so als bliebe der Film im Projektor hängen und das Zelluloid fange durch die Hitze der Glühbirne an zu brennen. Die Arbeit setzt sich in symbolischer Form mit den Themen Tod, Jenseits und Erneuerung auseinander und lässt sich als Metapher der gesamten Ausstellung verstehen, in der die Zerstörung oft als Kraft zyklischer Erneuerung erscheint. Ariel Orozcos Doble Desgaste (2005) nähert sich dem Thema Konsum auf eher metaphysische Art und Weise und erzählt von einer konzentrierten und bewussten Energieverschwendung. Foto-grafisch dokumentiert ist, wie der Künstler das Abbild eines Radiergummis zeichnet, es mit eben diesem wieder ausradiert und das Prozedere so lange wiederholt, bis der Radiergummi und sein Portrait verschwunden sind. Christian Marclays Guitar Drag (2000) zeigt in Bild- und Tonspur, wie eine an einem Seil befestigte Gitarre hinter einem Pritschenwagen hergezogen wird. Die Arbeit weist zahlreiche historische Assoziationen auf, deren Symbolischste die Vanitas-Figur ist. Der Schweizer Künstler Roman Signer wiederum arrangiert methodisch ausgetüftelte Akte der Zerstörung und ist in der Ausstellung mit zwei Arbeiten vertreten, den Videos Stuhl (2002) und Rampe (2008), in denen auf je eigene Weise die Zerstörung eines Stuhls und eines Kleinlastwa-gens gezeigt wird und die alle drei das Thema der Sterblichkeit umkreisen. In Arcangelo Sassolinos Ohne Titel (2007) erscheint die Technik als zyklopenhafte, zerstörerische Gewalt, die nicht losgelöst von Umweltfragen gesehen werden kann. Mittels eines Timers wird ein hydraulischer Arm in Gang gesetzt, der nach und nach in ein massives Stück Holz hineinstösst und es immer weiter zerstört. Martin Kersels Tumble Room (2001) zeugt von einer nahezu akrobatischen Jahrmarktstimmung. Kersels lässt in dieser Installation ein komplett ausgestattetes Mädchenzimmer mitsamt Möbeln so lange um eine Achse drehen, bis „der Purzelbaum schlagende“ Hausrat vollständig zerkleinert ist. Dieser kinetischen Plastik zur Seite gestellt ist das Video einer Tänzerin, die die Windungen und Kippbewegungen des rotierenden Zimmers auszubalancieren versucht, während der Künstler selbst zum Opfer der Schwerkraft wird.
In Jonathan Schippers The Slow Inevitable Death of American Muscle (2007-2008), einer Allegorie auf Verschleiss, konsumgesteuerter Identität und Zerstörung, wird die Technik zu ihrem eigenen Feind. Die Installation, die in extremer Verlangsamung den Frontalzusammenstoß zweier sich ineinander verkeilender Autos zeigt, ist ein bühnenwirksames Memento Mori, wie auch sonst der traditionelle Vanitas-Gedanke in einer ganzen Reihe der ausgestellten Arbeiten wiederkehrt.
Liz Larners Corner Basher (1988) bezieht den Betrachter ganz bewusst mit ein. Die Arbeit besteht aus einer Abrissbirne, die auf einer sich drehenden Säule montiert ist und die Wände des Museums je nach Drehgeschwindigkeit beschädigt. Humor ist stets ein zentraler Bestandteil von Jimmie Durhams Arbeiten. Das wird auch in der Installation St. Frigo (1996) deutlich. An zehn aufeinander folgenden Tagen hat der Künstler jeden Morgen einen Kühlschrank eine Stunde mit Pflastersteinen beworfen. Die Arbeit zeigt das Ergebnis dieses Zerstörungswerks als das Produkt eines täglichen Rituals. Kraft dieses monotonen und gleichsam bilderstürmerischen Aktes gelingt es Durham, Zerstörung als eine Form der Affirmation hinzustellen. Ariel Schlesingers versponnene Bubble Machine (2006) weiß sich Tinguelys Ästhetik des improvisierten Bastelns verpflichtet: sie besteht aus einem auf einer Holzleiter montierten Mechanismus, der in periodischen Abständen mit Gas gefüllte Seifenblasen auf ein unter Strom stehendes Gitter sinken lässt, auf dem sie explodieren. Michael Sailstorfer hat mit einer Hochgeschwindigkeitskamera die Durchschiessung einer Glüh-birne aufgenommen und gibt den kurzen Augenblick dieser kosmischen Explosion als 16mm-Loop wider. Kris Martins 100 Years (2004) besteht schlicht aus einer Bombe, die im Jahr 2104 explodieren wird. Indem diese Arbeit den Augenblick der Zerstörung in eine ferne Zukunft verlagert, durch die Edition von 10 Exemplaren multipliziert, und diese Entfernung und Zerstörung, die in ihr geschehen wird, in die Gegenwart hineinholt, dehnt sie zugleich den Machtbereich der Zerstörung weit über die engen Grenzen der Ausstellung hinaus.
Eine Kooperation mit dem Swiss Institute, New York, ko-kuratiert von Chris Sharp und Gianni Jetzer.