Die Schweizer Künstler Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger richten diesen Sommer ein dreiteiliges Wunderkammer-Labyrinth ein. Das Publikum hat die einmalige Gelegenheit, in einen Dschungel aus Werdendem, Wucherndem und Chaotischem einzutauchen und selber darin aktiv zu werden.

Seit Beginn ihrer Zusammenarbeit im Jahr 1997 erschaffen Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger gemeinsam (In-situ-)Installationen, üppige und oftmals betörende Universen aus natürlichen Fundstücken und gefertigten Objekten. Wachstum, Transformation und Kristallisation sind Teil ihrer Kunstwerke: Durch chemische Reaktionen erfährt die Installation eine langsame Metamorphose. Der Besucher ist immer wieder eingeladen, in ein fantastisches Universum aus farbenfrohen Landschaften einzutauchen, selbst aktiv zu werden sowie Sinne und Geist anregen zu lassen. Die ebenso zauberhaften wie unheimlichen Installationen des Künstlerduos knüpfen Verbindungen zwischen gegensätzlichen Welten. Sie öffnen den Blick auf das sonderbare Laboratorium des Lebens, auf dessen biologische Vielfalt zwischen Natur und Künstlichkeit und auf die Kräfte von Fruchtbarkeit und Wachstum.

Les Envahisseurs, 2004 Container Installation © 2018 Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger

Les Envahisseurs, 2004, Container Installation
© 2018 Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger

In Form eines Raum-Zeit-Labyrinths präsentieren Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger einen Überblick ihres 25-jährigen Schaffens. Der Zugang zur Ausstellung erfolgt durch eine von drei Türen – diejenige der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft. Hinter jeder Tür verbirgt sich ein anderes Kapitel ihres Kosmos, das sich wiederum aufgliedert in eine Vielzahl potenzieller Erfahrungen an verschiedenen Stationen. So kann der Besucher unter anderem durch einen Wald von Zweigen streifen, einen Halt in einem Massagesalon einlegen, eine Runde schaukeln, eine Träne für ästhetisch-wissenschaftliche Zwecke vergiessen, sich mit Schönheitsexperten unterhalten, Übungen auf Fitnessgeräten absolvieren oder Auge in Auge mit einem Meteoriten seine psychische Belastbarkeit prüfen. 

 

Wer die Tür der Vergangenheit wählt, begibt sich auf eine Zeitreise zu den frühesten Arbeiten des Duos. Diese sehr geordnete Welt weist viele Merkmale einer klassischen Ausstellung auf, mit Objekten, Videos und zweidimensionalen Werken, deren Präsentation etablierten kuratorischen Grundsätzen folgt. Durch ein mit Gerätschaften aller Art vollgestopftes Gartenhäuschen gelangt man zu verschiedenen von den beiden Künstlern über die Jahre angelegten Sammlungen, insbesondere von Samen (Schlafende Samen, 2002, Samensammlung aus Mali, 2003). Das Samenkorn, Keimzelle aller Dinge, steht gleichermassen für die Fruchtbarkeit – diese primäre Energie, die jeder Form von Leben zugrunde liegt – wie für die Wurzeln, die uns sowohl mit unserer eigenen Vergangenheit als auch der Geschichte der Menschheit verbinden. Im weiteren Verlauf folgt das Video Logic of Beauty (2010), ein Strom hypnotischer Bilder, deren Farben und Muster eine magnetische Wirkung ausüben, als ob die Künstler hier die Essenz der Schönheit eingefangen hätten.

Wachsender Kunstdüngerkristall, 2017 © 2018 Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger

Wachsender Kunstdüngerkristall, 2017 © 2018 Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger

Auf das Thema der Schönheit trifft man auch hinter der Tür der Gegenwart. Jeder Raum präsentiert sich als dreidimensionale Mini-Fiktion, mit eigenen Kulissen, Darstellern und Requisiten. Die Hauptrolle spielt jedoch der Besucher, der die Szenerie zum Leben erweckt. Station für Station beschert ihm eine interaktive, zugleich wissenschaftliche, vergnügliche und philosophische Erfahrung rund um den Begriff der Schönheit. Hier heisst es, seine Schüchternheit an der Garderobe zu deponieren und sich auf die Akteure – eine/n Sekretär/in, eine/n Tränensammler/ in und eine/n Personal Trainer/ in – einzulassen. Auf dem Programm stehen das Bestaunen von Augensekreten und ihrer winzigen Strukturen unter dem Mikroskop, das Liegen unter einem schweren hängenden Stein, Konzentrationsübungen oder auch eine stille Pause.

Im letzten Bereich wartet die Zukunft mit ihren Unsicherheiten, ihrem Chaos und ihrer Unfertigkeit. Dominiert werden die Räumlichkeiten von einem majestätisch wuchernden Wald, einem schwebenden, vielfarbigen Labyrinth voll mit Verästelungen aus pflanzlichen und künstlichen Elementen, das auf das Gewimmel alles Lebendigen anspielt und dessen im Raum tanzende Formen zum Träumen und Fantasieren anregen. Zum Ende geht der hängende Wald in einen Fitnessraum über, dessen Geräte von den beiden Künstlern auf schelmische Weise so umgestaltet wurden, dass sie neben dem Körper auch den Geist stimulieren. Mit Too early to panic laden uns Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger auf eine Reise ein – eine Reise, die uns die Welt um uns herum mit neuen Augen sehen lässt.



#steinerlenzlinger | #tooearlytopanic

Gerda Steiner (Ettiswil LU, 1967)
Jörg Lenzlinger (Uster ZH, 1964)

Steiner & Lenzlinger leben und arbeiten in Langenbruck im Kanton Baselland. Zur Schweizer Landesausstellung Expo.02 steuerten sie die gigantische Heimatmaschine bei, die Pflanzen und Kristalle wuchern liess, und an der Biennale von Venedig 2003 vertraten sie die Schweiz mit einem filigranen, schwebenden Garten in der Kirche San Stae. Zu sehen waren ihre Installationen auch im Museum Kunstpalast in Düsseldorf, im Museum des 21. Jahrhunderts in Kanazawa, in der Stiftsbibliothek St. Gallen, an den Biennalen von Sevilla und Moskau sowie zuletzt im Kunsthaus Bregenz. 2012 wurden sie mit dem Baselbieter Kulturpreis ausgezeichnet.
 

Zur Ausstellung


Séverine Fromaigeat ist Kuratorin am Museum Tinguely. Gemeinsam mit Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger hat sie die grosse Ausstellung entwickelt, wachsen und wuchern lassen.

Eröffnung mit Sommerfest, Dienstag 5. Juni 2018 ab 18.30 Uhr.

9. September 2018: Familiensonntag (11.30 - 17.30 Uhr) zur Ausstellung und Führung in Gebärdensprache (14 Uhr).

Eine Tour durch die Ausstellung mit den beiden Künstlern findet am 23. September 2018 um 15 Uhr statt.

© 2018 Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger
© 2018 Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger