Tadeusz Kantor: Où sont les neiges d'antan

Andrzej Sapija, Gdzie są niegdysiejsze śniegi (Where are Last Year's Snows), (Filmstill), 1984 © WFO

9. Oktober 2019 – 5. Januar 2020

Ausstellung

Die Ausstellung «Tadeusz Kantor: Où sont les neiges d’antan» des Museum Tinguely präsentiert einen der wichtigsten Theaterschaffenden und bildenden Künstler Polens des 20. Jahrhunderts mit einem seiner grossen Bühnenwerke. Mit kritischem Blick auf die verdrängte Geschichte Polens widmet sich Tadeusz Kantors (1915-1990) unabhängiges Untergrundtheater der Alltagsrealität und prägt bis heute eine junge Generation in der Welt des Theaters.

Porträt Tadeusz Kantor

Tadeusz Kantor im Cricot 2 Zentrum in Krakau, 1987, Foto: Daniel Simpson

Tadeusz Kantor im Cricot 2 Zentrum in Krakau, 1987, Foto: Daniel Simpson

Theaterschaffender und bildender Künstler

Plakat Tadeusz Kantor, Ohne Titel (Die Posaune des jüngsten Gerichts), 1979

Tadeusz Kantor, Ohne Titel (Die Posaune des jüngsten Gerichts), 1979 © Maria Kantor & Dorota Krakowska / Tadeusz Kantor Foundation

Tadeusz Kantor, Objekte von «Où sont les neiges d'antan», 1982, Installationsansicht: "Tadeusz  Kantor. Episode Four", Cricoteka, 2018-2019, Krakau

Tadeusz Kantor, Objekte von «Où sont les neiges d'antan», 1982, Installationsansicht: «Tadeusz  Kantor. Episode Four», Cricoteka, 2018-2019, Krakau © Maria Kantor & Dorota Krakowska / Tadeusz Kantor Foundation

Virtual Reality-Erfahrung

9. bis 20. Oktober 2019

Das Museumspublikum kann exklusiv für zwei Wochen ab der Eröffnung das Virtual Reality-Programm Cricoterie (2019) von Auriea Harvey & Michaël Samyn in der grossen Ausstellungshalle erleben.

Virtual Reality-Animation vom 9. bis 20. Oktober 2019

Im Museum Tinguely wird die Schau mit Objekten, Zeichnung, Film- und Fotodokumentation durch eine Virtual Reality-Animation begleitet, der Cricoterie (2019) von Auriea Harvey & Michaël Samyn. Die Besucher*innen sind vom 9. bis 20. Oktober eingeladen eine virtuelle Bühne zu bespielen, die inspiriert von Kantors Theater des Todes mit ungewöhnlichen Charakteren und Requisiten ausgestattet ist, während das Publikum zusehen kann, wie die Dinge ausser Kontrolle geraten.

 

 

Auriea Harvey & Michaël Samyn, "Cricoterie", 2019 (Installationsansicht)

Auriea Harvey & Michaël Samyn, Cricoterie, 2019 (Installationsansicht), VR-programme © Courtesy of the artists, Musik: Gerry De Mol, Foto: Karolina Zajączkowska

Teil des Ensembles

Sein Werk gilt als Modell für radikale, disziplinübergreifende Theaterexperimente und für die Aufhebung der Differenz zwischen Bühnen- und Zuschauerraum. Als Regisseur, der sich auf der Bühne unter seine Schauspieler*innen mischte, Anweisungen gab, eingriff und so zum Fremdkörper im Ensemble wurde, durchbrach Kantor vor allem mit seiner eigenen Anwesenheit die Grenzen des klassischen Theaters. Zu seiner künstlerischen Praxis gehörte die Wiederverwendung von Objekten. Alte und beschädigte Dinge waren sein ‹natürliches› Medium und das Motiv des Todes ist ein zentrales Thema in seinem Werk.

Cricotage

Die Cricotage (Kantors Begriff für diese Kurzform der Performance leitet sich vom Namen seines Theaters ab) Où sont les neiges d'antan ist die erste Produktion des Künstlers, die ohne einen bereits vorhandenen Text entwickelt wurde. Der literarische Verweis ist lediglich durch den Titel gegeben. Es handelt sich hierbei um ein Zitat aus der Ballade des dames du temps jadis aus Le Grand Testament (1461) von François Villon, einem französischen ‹poète maudit› des Mittelalters.

Die Posaune des Jüngsten Gerichts

Die Ausstellung im Museum Tinguely zeigt Objekte und Kostüme aus Où sont les neiges d'antan. Begleitet werden sie von der Filmvorführung einer Probe, die 1984 am Vorabend der polnischen Premiere im Studentenclub Stodoła in Warschau von Andrzej Sapija aufgenommen wurde. Zeichnungen und Skizzen von Tadeusz Kantor werden der fotografischen Dokumentation und Plakaten gegenübergestellt.

 

Mit einem jüdischen Lied eröffnet die Posaune des Jüngsten Gerichts, das Objekt aus Tadeusz Kantors Performance, einen Dialog um das Motiv des Totentanzes mit Jean Tinguelys Installation Mengele-Totentanz (1986). Aus dem nächsten Raum, in dem Tinguelys Werk ausgestellt ist, erklingen die Geräusche einer vergangenen Tragödie und scheinen die Aktivierung von Kantors Maschine vorwegzunehmen – eine Posaune, die das bevorstehende Ende ankündigt. Tinguelys Werk setzt sich hauptsächlich aus den Überresten eines niedergebrannten Bauernhofes zusammen.

Tinguely und Kantor

Jean Tinguely und Tadeusz Kantor lernten sich um 1960 durch den schwedischen Sammler Theodor Ahrenberg kennen, der sich in Chexbres in der Schweiz niedergelassen hatte. Beide Künstler vermischen in ihren Werken ihre persönlichen Erfahrungen mit der gesellschaftlichen Erinnerungskultur. Ihr gemeinsames Interesse an prozessualer Kunst und hybriden Medien animierte sie dazu, die Grenzen zwischen Kunst und Realität aufzubrechen. Ideologisch sind ihre Werke jedoch weit voneinander entfernt.

Cricoteka & Culturscapes

Die von der Cricoteka in Krakau gastkuratierte Schau läuft bis zum 5. Januar 2020 und ist Kantors erste Einzelausstellung in der Schweiz seit über zehn Jahren. Das Projekt entstand in Kooperation mit CULTURESCAPE Polen, ein Kulturfestival, in dem die Kulturlandschaft eines anderen Landes oder einer Region vorgestellt wird.

Im Rahmen des CULTURESCAPE Festival und einer Kooperation mit dem Theater Basel erhalten Museumsbesucher*innen unter Vorlage des Kassenbelegs ihres Museumsbesuches 20 % Ermässigung auf den Tagespreis für eine Vorstellung von «Der standhafte Prinz» im Theater Basel. Im Gegenzug erhalten Zuschauer*innen der Vorstellung  «Der standhafte Prinz» den reduzierten Eintritt im Museum Tinguely.

 

Gastkurator*innen: Małgorzata Paluch-Cybulska, Bogdan Renczyński, Natalia Zarzecka / Das Zentrum zur Dokumentation der Kunst von Tadeusz Kantor CRICOTEKA in Krakau.