Gauri Gill Aus Untitled from Traces, 1999 – ongoing Copyright Gauri Gill

Gauri Gill
Aus Untitled from Traces, 1999 – ongoing
Copyright Gauri Gill

2021
Gauri Gill

On Seeing, 2020
Künstlergespräch für das Berkeley Art Museum – Pacific Film Archive (BAMPFA)


Gauri Gill stellt mit diesem Gespräch ihre künstlerische Arbeit in Rajasthan seit 1999 vor. Damit blicken wir zurück auf die Ausstellung Traces, mit der das Museum Tinguely 2018 zwei wichtige Werkgruppen der Künstlerin vorgestellt hat.
Seit 1999 verbringt die indische Fotografin Gauri Gill (geb. 1970 in Chandigarh, lebt in Neu Delhi) viel Zeit bei marginalisierten ländlichen Bevölkerungsgruppen in der Wüste West-Rajasthans. Traces ist eine der Fotoserien, die aus ihrem umfassenden Fotoarchiv Notes from the Desert entstanden ist. Es sind fotografische Porträts von Grabstätten, die sie zusammen mit deren Angehörigen oder Freunden besucht hat und die ohne Hinweise kaum erkennbar sind. Sie sind als physische Orte der Erinnerung inmitten der Wüstenlandschaft ebenso dem Werden und Vergehen ausgesetzt, wie es die dort Begrabenen waren und sind. Die Markierungen in der Landschaft versammeln auf einem Sandhügel (mit Zeichen versehene) Steine, Tonscherben oder persönliche Gegenstände. In grösster Bescheidenheit wird ein Ort gekennzeichnet, Erinnerung gepflegt.

Eine zweite Serie, die Birth Series, acht Fotografien in kleinem Format, zeigen mit derselben Empathie und Sachlichkeit das Werden als Gegenpol zum Vergehen – eine Geburt: Gills Freundschaft mit der Hebamme und Feministin Kasumbi Dai ermöglichte ihr, der Entbindung von deren Enkeltochter beizuwohnen. Der erste Kontakt des kleinen Mädchens mit der Welt ist die sandige Erde der Behausung. Bei aller ‹Natürlichkeit› und Einfachheit wohnt dem Ereignis der Geburt eine feierliche, fast meditative Komponente inne, wie sie sich im faltenüberzogenen, lebenserfüllten Gesicht Dais ausdrückt.