Marcel Duchamp

20. März 2002 – 30. Juni 2002

Die von Harald Szeemann konzipierte Ausstellung zeigt mit kapitalen Leihgaben das Werk von Marcel Duchamp (1887 – 1968) zum ersten Mal seit 1960 in der Schweiz in repräsentativer Form.

Duchamps Œuvre und seine Person nehmen in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts eine zentrale Rolle ein. Sein Einfluss wirkt bis in die Gegenwart hinein, indem er das Verhältnis der Kunst zum Leben, die Bedingungen ihrer Entstehung provokativ offengelegt und somit die Vorstellung vom Kunstwerk und ihrem Produzenten entscheidend verändert hat.

Die Ausstellung zeigt Duchamps Schaffen an ausgesuchten Werken und konzentriert sich dabei vor allem auf die Aspekte, die das Schaffen von Jean Tinguely (1925-1991) nachhaltig geprägt haben: Me- chanisches, Bewegung und Optisches, Spiel und Humor.

Die Ready-mades, in denen er einen alltäglichen Gegenstand, ein Fahrradrad oder ein Pissoir zum Kunst- werk erklärt, sowie die Verwendung des Zufalls als künstlerisches Medium in seinen 3 Stoppages Etalons (1913–14/1964) werden für den jüngeren Tinguely im Paris der frühen 60er Jahre zur wichtigen Inspirations- quelle. Duchamps optische Versuche und Erfindungen, Rotative plaques de verre (1920/1960) und seine Rotoreliefs, die mit Hilfe der Maschine optische Illusion und virtuelle Volumina erzeugen, stehen neben Tinguelys kinetischen Plastiken.

Im Gemälde Nu descendant un escalier No.2 von 1912 zerlegt Marcel Duchamp die Bewegung eines Aktes in Momentaufnahmen aus abstrakten Flächen und schafft so ein "statisches Bild der Bewegung". Zu sehen ist auch eine der signierten Repliken von Duchamps enig- matischem Hauptwerk La mariée mise à nu par ses célibataires, même (auch Grosses Glas genannt), das er zurückgezogen und in jahrelanger Arbeit zwischen 1915 bis 1923 auf Glas in Bleidrahttechnik herstellte und unvollendet liess. Zeichnungen und Gemälde wie Le passage de la vierge à la mariée (1912) sowie La Broyeuse de Chocolat No. 1 von 1913 ergänzen die Präsentation des Grossen Glases.

Die Boîtes en Valise sind Miniaturmuseen im Koffer, in denen Duchamp mit Reproduktionen seiner Werke und Modellen seiner Ready-mades die Einmaligkeit des Kunstwerks sowie die traditionelle Vorstellung des Museums in Frage stellt. 1920 ruft er sein alter ego Rrose Sélavy ins Leben und erklärt seine eigene Person zum Kunstwerk, indem er sich ambivalent als Frau von Man Ray fotografieren lässt. Auch in L.H.O.O.Q, einer mit Bart und Schnäuzer versehenen Reproduktion von da Vincis berühmter Mona Lisa, präsentiert sich der Künstler als Provokateur, der mit Zweideutigkeiten und der Irritation des Betrachters spielt. Neben seinen erotischen Objekten werden auch Werke rund um die erst nach seinem Tode im Philadelphia Museum of Art einge- richtete Installationsarbeit Etant donnés gezeigt. Ergänzt wird die Ausstellung durch eine umfangreiche Doku- mentation, die vom bekannten Duchampforscher Jacques Caumont eingerichtet wurde. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Duchamp- Nachlass und der Mithilfe von Marcel Duchamps Stief- kindern, Jacqueline, Paul und Peter Matisse.

Zur Ausstellung erschien ein reich illustrierter Katalog in Deutsch, Englisch und Französisch im Hatje Cantz Verlag mit einem Vorwort von Harald Szeemann und Guido Magnaguagno, Texten von Marcel Duchamp sowie namhaften Autoren wie Elisabeth Bronfen, Dieter Daniels, Marc Décimo und Herbert Molderings sowie einem umfassenden Interview von Jean Tinguely über Mensch und Werk von Marcel Duchamp. Ergänzt wurde der Band durch eine umfangreiche, von Jacques Caumont verfasste Chronologie sowie einer Beilage "Mirage vers Bâle". Preis: ca. CHF 59.–