Neue Sammlungs-
präsentation im
Museum Tinguely

Eva Aeppli, Jean Tinguely und Per Olof Ultvedt mit Méta-Matic-Zeichnungen, Atelier Impasse Ronsin, Paris, 1959; Foto: Hansjörg Stoecklin

« le Définitif - c'est le Provisoire »
Sammlungspräsentation im Museum Tinguely, ab dem 3. März 2021

25 Jahre nach der Eröffnung des Museum Tinguely am Basler Rheinufer legt die neu gestaltete Sammlungspräsentation ab dem 3. März 2021 einen Hauptfokus auf den charismatischen Künstler Jean Tinguely und seine medienwirksamen Auftritte mit kinetischen Skulpturen und Aktionen. Sie schöpft wie nie zuvor aus den einzigartigen Dokumenten und Archivalien, die die wissenschaftliche Arbeit des Museum Tinguely auszeichnet.

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Tinguely und seine Kunst in den Schlagzeilen

Schon zu Beginn seiner künstlerischen Karriere, Ende der 1950er-Jahre, sorgt er mit Do-it yourself-Kunstmaschinen sowohl in der Kunstwelt als auch in der internationalen Presse für Furore: so etwa 1959 in Paris oder im Frühjahr 1960 in New York. Mit seinen «Méta-Matics» genannten Zeichenmaschinen katapultiert er sich auf die Titelseiten bekannter Zeitungen und lässt Journalisten in der ganzen Welt berichten: «Want To Be An Artist? Just Buy This Machine, And You Are In».

Skulpturen aus der umfangreichen Sammlung des Museum Tinguely werden um weitere wichtige Leihgaben ergänzt. Damit thematisiert die Ausstellung den Beginn seiner Künstlerkarriere im Ausland, auf den erste Auftritte in der Schweiz folgen. Die Präsentation stellt Dokumente auf Papier, Fotografien, Ton- und Filmaufnahmen in einen neuen medialen Kontext. Tinguelys Schaffen der 1950er- und 1960er- Jahre, das der Künstler von Paris und New York über Bern, Lausanne bis hin nach Tokio in Ausstellungen und Aktionen präsentiert, ist facettenreich und sprengt bisherige Konventionen der Kunstgeschichte. Es provoziert und amüsiert zugleich, erklärt Leben zur Kunst. Seine Arbeiten fordern uns zur direkten Teilnahme auf und sprechen stets mehrere sinnliche Ebenen des Kunsterlebnisses an.

Jean Tinguely, Méta-Matic No. 10, 1959 Museum Tinguely, Basel, Donation Niki de Saint Phalle © 2021, ProLitteris, Zürich; Foto: Museum Tinguely, Basel, Serge Hasenböhler

Jean Tinguely, Méta-Matic No. 10, 1959
Museum Tinguely, Basel, Donation Niki de Saint Phalle
© 2021, ProLitteris, Zürich; Foto: Museum Tinguely, Basel, Serge Hasenböhler

JJean Tinguely, Collagiertes Spiralbuch mit Fotos, Dokumenten und Presseberichten (u.a. St. Louis Post-Dispatch) zu Jean Tinguely und seinem Werk, ca. 1960, Museum Tinguely, Basel © 2021, ProLitteris, Zürich; Foto: Museum Tinguely, Basel, Daniel Spehr

Jean Tinguely, Collagiertes Spiralbuch mit Fotos, Dokumenten und Presseberichten (u.a. St. Louis Post-Dispatch) zu Jean Tinguely und seinem Werk, ca. 1960, Museum Tinguely, Basel © 2021, ProLitteris, Zürich; Foto: Museum Tinguely, Basel, Daniel Spehr

 

Jean Tinguely, Collagiertes Spiralbuch mit Fotos, Dokumenten und Presseberichten (u.a. Die Woche) zu Jean Tinguely und seinem Werk, ca. 1960, Museum Tinguely, Basel © 2021, ProLitteris, Zürich; Foto: Museum Tinguely, Basel, Daniel Spehr

Jean Tinguely, Collagiertes Spiralbuch mit Fotos, Dokumenten und Presseberichten (u.a. Die Woche) zu Jean Tinguely und seinem Werk, ca. 1960, Museum Tinguely, Basel © 2021, ProLitteris, Zürich; Foto: Museum Tinguely, Basel, Daniel Spehr

„Es ist unmöglich, einen leisen Motor zu entwickeln. Ein Motor produziert zwangsläufig Lärm. Meine Maschinen sollen nicht reibungslos funktionieren, sondern sie sollen sich in einer starken und musikalischen Geräuschkulisse offenbaren. Der Lärm ist ein Teil der Maschine, den ich in gleichem Masse versuche, in die Gestaltung einzubeziehen wie die plastische Form.“

Jean Tinguely

Installationsansicht «Neue Sammlungspräsentation im Museum Tinguely» ​​​​​​​© 2021, Museum Tinguely; Foto: Daniel Spehr

Installationsansicht «Neue Sammlungspräsentation im Museum Tinguely»
© 2021, Museum Tinguely; Foto: Daniel Spehr

Spektakel auf unterschiedlichen Bühnen

Als Impulsgeber gelingt es Tinguely, seine kinetische Maschinenkunst immer wieder neu zu positionieren. Er erschafft lautstarke Klangspektakel mit Alltagsgegenständen und stellt diese und sich selbst ins Rampenlicht, indem er sich an verschiedenen Theaterinszenierungen mit internationaler Besetzung beteiligt – teils als Bühnenbildner, teils als Schauspieler – und behandelt mit seinen Werken brisante Fragen der damaligen Zeit.

Jean Tinguely, Rotozaza No. 2, 1967 © 2022, ProLitteris, Zürich; photo: Museum Tinguely, Basel, Christian Baur

Jean Tinguely, Rotozaza No. 2, 1967
© 2022, ProLitteris, Zürich; photo: Museum Tinguely, Basel, Christian Baur

So etwa mit dem Flaschenzertrümmerer Rotozaza No. 2 (1967). Das Werk wurde erstmals vor über fünfzig Jahren am 19. Oktober 1967 mit einer Performance in New York vorgeführt und thematisiert die aufkommende Kritik an der Konsum- und Wegwerfgesellschaft. Tinguely beabsichtigt damit, «die praktische und rationelle Seite der produktiven Maschine lächerlich zu machen».

Im Museum Tinguely wird die selten gezeigte Rotozaza No. 2 an bestimmten Daten für einige Minuten für die Besucher*innen in Aktion gesetzt.

Mit lieben Grüssen – begehrte Künstlerbriefe

Seine Kunst versteht Tinguely als Unsinn mit Sinn. In seinen Inszenierungen spielen Lebenslust, aber auch Vergänglichkeit eine wichtige Rolle. Dies spiegelt sich nicht nur in seinen kinetischen Skulpturen wider, sondern auch in seinen Arbeiten auf Papier, in denen er uns als erfindungsreicher Zeichner und Collagekünstler begegnet. Im Laufe seines künstlerischen Schaffens versandte er hunderte Briefe an Freunde und Personen, mit denen er auf der ganzen Welt arbeitete. Diese farbenfrohen Briefzeichnungen und Collagen aus Alltagsmaterialien besitzen eine eigene Sprache und werden zu spannenden visuellen Zeitzeugnissen.

 

Eine Auswahl an Briefcollagen von Tinguely wurden auch vertont. Lassen Sie sich Tinguelys Texte vorlesen und erfahren Sie, wie er seine Freundschaften und Bekannschaften gepflegt hat. >> Hören Sie rein

Die Besucher*innen können in der Ausstellung die kreative Tätigkeit des Briefschreibens, das in der heutigen digitalen Welt in den Hintergrund getreten ist, wieder für sich entdecken und selbst handschriftlich gestaltete Briefe à la Tinguely an Freunde verschicken.

Ich zeichne enorm viel, so wie man zeichnet, wenn man telefoniert. Gleichzeitig transformiere ich diese Art Zeichnung systematisch in Mitteilungen an meine Freunde, in Briefe, oder solche Dinge.

Jean Tinguely, 1976

Jean Tinguely, Briefzeichnung an Maja Sacher, 1976 Museum Tinguely, Basel, Schenkung Paul Sacher © 2021 ProLitteris, Zürich, Foto: Museum Tinguely; Foto: Daniel Spehr

Jean Tinguely, Briefzeichnung an Maja Sacher, 1976
Museum Tinguely, Basel, Schenkung Paul Sacher
© 2021 ProLitteris, Zürich, Foto: Museum Tinguely; Foto: Daniel Spehr

Zur Erhaltung Tinguelys kinetischer Kunst

Darüber hinaus bietet die Präsentation spannende Informationen zur Materialität und Funktionsweise der Werke Tinguelys. Sie bietet Einblicke in ihre Bauweise und für den Laien versteckte, aber umso überraschendere, technische Details in deren konservatorischen Unterhalt: Welche Massnahmen müssen ergriffen werden, um Tinguelys Werke möglichst lange zu erhalten? Neuste Erkenntnisse zu den Radio-Skulpturen aus den 1960er-Jahren oder die restauratorische Herangehensweise bei so fragilen Arbeiten wie Ballet des pauvres (1961) oder den Balubas (ab 1961) können entdeckt werden. Oder was passiert eigentlich mit den vergänglichen Materialien, die Tinguely zur Herstellung seiner Collagen verwendete, wie Nagellack, Klebe- oder Rubbelbilder?