Sousveillance
Staring at the Bin – Schweizer Edition

SoundTrieb performing «Walking», Pilatus, Oktober 2022

Sousveillance
Staring at the Bin — Schweizer Edition

by Meriel Price, curated by Isabel Piniella Grillet, performed by SoundTrieb

21. Februar – 26. März 2023

Im Dialog mit der Ausstellung À bruit secret, zeigt die Künstlerin und Komponistin Meriel Price eine Video-Serie von subtilen und flüchtigen Miniatur-Performances im öffentlichen Raum. Die Betrachtenden werden Zeugen einer choreografierten, anarchistischen Unterwanderung von Überwachung, die sich sowohl akustisch als auch performativ entfaltet.

SoundTrieb performing Platform, Basel, November 2022.

SoundTrieb performing Platform, Basel, November 2022.

Der Akt des Schauens ist eine ungleiche Beziehung. Nach oben oder nach unten zu schauen impliziert immer eine Hierarchie, da die beobachtenden oder beobachteten Subjekte nicht auf derselben Ebene der Gegenseitigkeit stehen können. Das Thema Überwachung erregt sowohl im Mainstream als auch in der akademischen Debatte Faszination und Misstrauen. Gerade in der Kunst finden wir oft kreative Antworten und fantasievolle Alternativen, die dieses kontroverse Thema kritisch reflektieren. Da Tracking-Apps zu unbestreitbaren Werkzeugen wurden und digitale Dienste Zugang zu unserer Geolokalisierung verlangen, will Sousveillance: Staring at the bin – Swiss Edition den Blick auf den Teil der globalen Überwachung lenken, der in den letzten zwei Jahren wegen COVID-19 viel diskutiert und angesprochen wurde: Mobilität.

Sousveillance: Staring at the Bin – Swiss Edition der Künstlerin und Komponistin Meriel Price, ist eine Serie von unangekündigten, subtilen und flüchtigen Miniatur-Performances im öffentlichen Raum. Durch den Einsatz eines kompositorischen Vokabulars zur präzisen Choreographie von Klängen und Gesten des normalen Verhaltens, die zu einem spezifischen Raum gehören, erkundet das Werk die Grenzen der Wahrnehmung und schafft eine mehrdeutige Erfahrung. Price bereiste die Schweiz und wählte Plätze, Bahnhöfe, Brücken und Wartehallen aus, um site-specific Stücke für die aussergewöhnlichsten Örtlichkeiten zu schreiben und die Schweizer Edition von Sousveillance: Staring at the bin zu verwirklichen, welche 2016 für die Münchener Biennale produziert wurde. Das in der Ausstellung präsentierte Filmmaterial, diesmal von den Künstler:innen des Ensembles SoundTrieb aufgeführt und von der Filmcrew Tapir Film aufgezeichnet, legt den Fokus auf die geografische Vielfältigkeit des Landes und integriert die vier landessprachlichen Regionen mit Miniatur-Performances, die in Basel, Luzern, Zürich, Bern, Lugano, Surselva und Genf gedreht wurden.

„Staring at the Bin“, also „Einen Mülleimer anstarren“, ist die unmittelbare Begegnung von Öffentlichkeit, Musik und Theater, unangekündigt und unerwartet, eine Sammlung von Miniatur-Performances im öffentlichen Raum, so winzig, dass sie wie zufällige merkwürdige Begebenheiten erscheinen. Musikalische und theatrale Ereignisse werden nahtlos ins urbane Leben eingebettet, maximal reduziert, als Pause, als Impuls, Wiederholung oder Variation. Eingerahmt und fokussiert wird das Alltagsleben zur Grundlage intimer Interaktion. Der unmittelbare Kontakt des Publikums mit dem Werk, ganz ohne ›künstlerischen‹ Kontext ermöglicht eine neue Beziehung, eine direkte Reaktion, weil der Wegfall jeglicher Etikettierung Raum für die ganz persönliche Bedeutung lässt. Die Störung des Tagesrhythmus zwingt zum Innehalten, zum Nachdenken und bietet damit die Chance, die Alltagsroutine des städtischen Lebens neu zu interpretieren. Unerklärt und grundlos verwundern die Ereignisse, schärfen die Wahrnehmung, geben Impulse für eine direktere Verbindung mit Menschen, Orten und Geschehnissen der Umgebung.
Meriel Price, 2016

Sousveillance: Staring at the bin bewegt sich in einem breiten Spannungsfeld zwischen dem Kampf um soziale Interaktion und Aufmerksamkeit im öffentlichen Raum durch autonome Aktionen und einer ästhetischen, rhythmischen und choreographischen Perspektive des Alltags als Kunst. Kuratiert unter dem Konzept Sousveillance reflektiert die Ausstellung über den überwachten urbanen Rhythmus, da Prices klangliche und visuelle Erkundung des Alltäglichen und ihrer fiktiven Situationen zu einer ästhetischen Erfahrung der subtilen Unterbrechung führt, die letztlich das immerwährende, unmerkliche Wachsamkeitssystem zurücksetzt. Das Found-Footage-Display unterstreicht den widerstandsfähigen Charakter kleiner Gesten. Der Klang und die Visualität unseres Alltags gehört zu unserer performativen Wirkung: Gesellschaftliche Veränderungen beginnen mit kleinen Aktionen.

Staring at the Bin, Bridges
Composed by Meriel Price, Performed by SoundTrieb, Geneva 2022

Für März 2023 ist eine begleitende Publikation mit Aufsätzen, die den Rahmen der Ausstellung thematisieren, vorgesehen, um die Arbeit von Price mit Tinguelys Verständnis von täglichen Soundscapes, Rhythmus und Bewegung in Dialog zu bringen.

Team

Künstlerin: Meriel Price
Kuratorin: Isabel Piniella
Veranstalter: Verein SoundTrieb
Interpreten: Juan José Faccio, Alice Mei-Yu Hohberger, Magdalena Irmann, Corentin Marillier, Anna Minten.
Kamera: Lukas Egger & Luca Fortuna
Ton: Pablo Callisaya, Luca Fortuna & Seraina Frazetto
Postproduktion: Tapir Film - Moritz Hossli, Pablo Callisaya