Barbara Kelly und Howard Tong beherrschen die traditionellen Techniken des Schaufensterdekorierens und spielen damit eine wichtige Rolle bei den Aktivitäten von Atelier E.B, dem gemeinsam von Lucy McKenzie und Beca Lipscombe gegründeten Designatelier. Sie sind langjährige professionelle Schaufensterdekorateure, „Dresser“, die mit zahlreichen namhaften Modehäusern und Einzelhandelsgeschäften zusammengearbeitet haben. 

Barbara Kelly

Ich bin im Quartier Elephant and Castle im Süden Londons aufgewachsen und hörte zum ersten Mal vom Schaufensterdekorieren, als ich meinen Mittlere-Reife-Abschluss in Kunst machte. Als ich dann mit 16 Jahren die Schule verliess, ging ich an das Window Dressing College, das eigentlich College for Distributive Trade hiess. Damals war dies die einzige Schule in London, die eine Ausbildung zum Schaufensterdekorateur anbot. Sie teilte sich übrigens das Gebäude mit der St. Martins Art School, an der Beca Lipscombe studierte. Dort habe ich zwei Jahre kostenlos Schaufensterdekoration studiert, der Staat übernahm sämtliche Kosten. Die Dozenten kamen teils selbst aus der Branche, teils aus der bildenden Kunst. Wir beschäftigten uns mit Kunstgeschichte, Fotografie und technischem Zeichnen. Ein fantastischer Typ namens Mike Ozouf, ein Maler und Designer, unterrichtete Requisitenbau. Dieser Studiengang heisst heute „Visual Merchandising“. Zu der Zeit handelte es sich quasi um eine praktische Schule für Commercial Arts, mitten im Zentrum des West End.

Direkt nach dem Studium bekam ich einen Job im Army & Navy Store in Bromley, wo ich mit einem wirklich brillanten Dekorateur „mitgelaufen“ bin, der dann zu Harrods ging. Anschliessend gelang es mir, eine Stelle bei Austin Reed auf der Regent Street anzutreten. Ich hatte eine Vorliebe für Herrenbekleidung. Ich habe unter anderem für Thomas Pink gearbeitet, bei dem wir alle Ärmel der Anzüge mit Seidenpapier ausgestopft haben. Danach ging ich zu Selfridges; es war fantastisch, dort zu arbeiten. Es ging immer um den Blick fürs Detail. Wir verwendeten aber auch grosse Requisiten. Man bekam eine Woche Zeit, um das gesamte Schaufenster zu gestalten. Ich war lange bei Selfridges und ging im Anschluss zu Harvey Nichols als Dekorateurin, als Mary Portas die Leitung von Paul Dyson übernahm, der für Warenpräsentation und -promotion verantwortlich war.

Dort blieb ich bis 1996 und machte mich hierauf selbstständig. Seitdem bin ich sehr beschäftigt: Was immer es auch sein mag, ich habe es gemacht. Meine erste Liebe ist immer noch das Dekorieren. Ich verbringe gerne eine ganze Woche damit, ein Fenster zu gestalten, mit Elektriker:innen die Beleuchtung zu entwerfen, Stoffe von der Berwick Street in Soho zu besorgen. Ich habe mit südkoreanischen Luxusgeschäften wie Lotte gearbeitet, lange bevor K-Pop existierte. Sie haben Teams eingeladen, ihre Weihnachtsschaufenster zu gestalten, und zwar zwei Jahre hintereinander. Sie haben uns gefilmt, Fotos von uns aufgenommen und alles verfolgt, was wir gemacht haben, bis sie all unser Wissen abgeschöpft hatten und uns nicht mehr brauchten.

Ich habe für Woolworth Schaufenster gestaltet und in letzter Zeit die Weihnachtsdekorationen in den Flagship-Stores von Marks & Spencer im West End, in Manchester und in Edinburgh ausgeführt. Dann stehe ich im Schaufenster und „bausche“ die Weihnachtsbäume auf. Man muss tatsächlich in die künstlichen Bäume hineinkriechen, um sie perfekt zu machen, und am Ende hat man überall „Weihnachts-Stigmata“ an den Armen. Man schneidet sich die Hände auf und bekommt Arthritis in den Fingern. Soweit ich weiss, versteht man unter „window dresser“ und „window trimmer“ ein und dasselbe. Vielleicht handelt es sich bei letzterem um einen amerikanischen Ausdruck, da für das Dekorieren eines Weihnachtsbaums ja auch der Begriff „to trim“ verwendet wird, während im britischen Englisch das Wort „to dress“ geläufig ist. Ich glaube nicht, dass ich den Begriff vor den frühen 1990er-Jahren jemals gehört hatte. Ich arbeite schon lange in diesem Bereich und liebe es immer noch, auch wenn sich die Schaufensterdekoration im Laufe der Zeit stark verändert hat: Früher war sie viel kreativer, heute geht es im Grunde nur noch darum, immer wieder die gleichen Schaufenster deines „Reviers“ zu gestalten.

Howard Tong

Ich bin 1954 in Blackpool geboren. Ich habe das Central College of Art besucht und bildende Kunst studiert. Mir wurde jedoch geraten, an eine weltoffenere Hochschule zu wechseln, die Maidstone Art School, die meinen Interessen weitaus besser entsprach. Sowohl die Dozent:innen als auch die Student:innen insgesamt waren sehr aufgeschlossen. Dank Bob Kane und Adrian Munsey wurde ich sogar vom Pantomime-Künstler Lindsay Kemp unterrichtet. Aber es war Marc Camille Chaimowicz, der mein Leben von Grund auf veränderte. Als mein Tutor zeigte er mir alles, wonach ich an der Kunsthochschule gesucht hatte. Er führte mich in die Performancekunst ein und bestärkte mich in meiner Besessenheit, bei Schaufensterdekorationen Schuhe, Schaukeln, Spiegel oder performende Menschen einzusetzen.

Ein weiterer einflussreicher Tutor war Anthony Howell, ein Performance-Künstler, der die Performancegruppe The Ting: Theatre of Mistakes gegründet hatte. Ich schloss mich Anthony zusammen mit anderen an: Fiona Templeton, Lindsey Moran, Mickey Greenall, Miranda Payne und Anita Tong. Wir führten zahlreiche Performances durch, unter anderem in Zusammenarbeit mit Reindeer Werk und Genesis P-Orridge.

Kürzlich habe ich mit ihnen zwei Reunion-Performances aufgeführt, eine in der Raven Row Gallery und eine in der Tate Britain.

Nach der Kunsthochschule habe ich meine Arbeiten in der Acme Gallery gezeigt, unter anderem die Performance-Installation Filtro di Luce mit dem Fotografen Richard Rayner-Canham.

Nach dem Verlassen der Kunsthochschule fand ich Arbeit als freiberuflicher Schaufenstergestalter. Es war damals viel leichter, Arbeit zu finden: Man ging einfach in ein Geschäft oder einen Laden und fragte, ob sie ihre Fenster dekoriert haben wollten. Ich arbeitete für zahlreiche kleine unabhängige Geschäfte, darunter Antony Price, Chatters, Rocket, Vivienne Westwood, Kensington Market, Matches, Artwork, Nostalgia of Mud und viele mehr.

Ich fand dann eine regelmässige Anstellung in einem neu eröffneten Geschäft namens Mulberry. Der Besitzer Roger Saul liess mich in den Fenstern fast immer machen, was ich wollte. Wir entwickelten Konzepte, deren Bandbreite von einem ausgebrannten Schuppen mit verkohlten Schaufensterpuppen bis hin zu riesigen Glasscherben reichte, in die jeweils „V.O.G.U.E.75“ eingraviert war – anlässlich des 75-jährigen Jubiläums der Vogue.

Nach dem Erfolg mit den Fenstern begann ich, internationale Messestände zu entwerfen und zu installieren. Auch hier hatte ich freie Hand: Die Konzepte reichten von einem Ruderpavillon – einschliesslich eines in Originalgrösse von der Decke hängenden Ruderbootes – bis hin zu einem Dachzimmer. Das Dachzimmer war gefüllt mit Kleidern und Spielzeug und komplett mit einem echten Schieferdach und einem Oberlicht ausgestattet, durch das man eintrat.

Von Mulberry wechselte ich zu Harvey Nichols, um dort die Leitung der Dekorationsabteilung zu übernehmen. Für die Firma habe ich mehrere Schaufenster gestaltet. Woran ich mich am liebsten erinnere, ist ein Flugzeug-Modellbausatz in Lebensgrösse.

Nachdem ich mich von Harvey Nichols getrennt hatte, gründete ich zusammen mit Kathryn Scanlan, mit der ich bereits an der Gestaltung der Schaufenster von Harvey Nichols gearbeitet hatte, die Firma KSHT (Kathryn Scanlan Howard Tong). Wir hatten viel Spass. Wir bauten Messestände und Ladeneinrichtungen und entwarfen die Ausstattung für Presseveranstaltungen: Wenn es um etwas Visuelles ging und es uns interessierte, machten wir es.

Im Laufe meiner Karriere hatte ich schon häufiger mit Martin McGeown zusammengearbeitet, lange bevor er die Cabinet Gallery gründete. Er ist ein sehr alter Freund, und durch seine Vermittlung habe ich angefangen, mit Lucy und Beca und dem Atelier E.B zusammenzuarbeiten. Seitdem bin ich wieder viel gereist, um genau die Arbeit zu machen, die ich liebe.

Für die erste Ausstellung von Atelier E.B in der Serpentine Gallery in London entwarfen wir damals noch eine viel einfachere Ladenfront. Wir mussten mit altem Holz improvisieren, das wir vor Ort fanden. Tatsächlich hat sich das gesamte Atelier-E.B-Projekt in der Art und Weise entwickelt, wie sich das Schaufensterdekorieren allgemein weiterentwickelt hat. In der Serpentine Gallery konnten wir zwei nebeneinanderliegende Fenster gestalten. Als wir dann 2020 in der Garage Museum of Contemporary Art in Moskau die Jasperware-Kollektion präsentierten, verteilten wir diese auf drei Vitrinen, während wir uns im Hermès-Ausstellungsraum in Brüssel auf ein einziges Schaufenster beschränken mussten. Anschliessend waren wir in München und Wien tätig, dort bei der Galerie Meyer Kainer. Dann folgten die Tate Liverpool und das V&A Dundee. Zwischen Kunst und Schaufensterdekoration besteht definitiv eine starke Verbindung: Man behält sich gegenseitig immer im Blick, wobei es stets die Barriere des Fensters gibt. Wir schauen auf das Werk der Künstler:innen und sie schauen zurück. Beide sind sehr eng miteinander verbunden.