Darunter

Geraldine Kirrihi Barlow

Ein tiefer Atemzug, und wir tauchen hinab,

um uns herum vertieft sich das Blau,

Flossen und Beine treiben uns an, hinunter

in die Kühle. Sonnenlicht, wechselnde Längen

weit gereister Energie, offenbaren

die Möglichkeit von Wachstum, etwas zu sehen,

die Jagd zu verstehen. Und reichen doch nur so weit.

Julian erblickt einen Riffhai

und folgt seinen flachen Bewegungen.

Ich drehe mich um, strecke mich, schaue zur Oberfläche,

als wäre dieser eine Atemzug unendlich.

Eine Schildkröte schwimmt langsam vorbei,

mit geheimnisvoller Absicht, auf

einer alten, unsichtbaren Chaussee, wie ich.

Wasser dazwischen und im Inneren.

Wir tauchen auf, nehmen die Schnorchel ab,

lachend, belebt von all dem, was zu sehen ist,

von der Möglichkeit zu sein, anders

Wasser, das Gefahren, Möglichkeiten und Energie vermittelt.

Julian Charrière taucht, wie auch ich. Wir Menschen tun es alle, in unterschiedlichem Ausmaß. Wir müssen nur langsamer werden, den Atem anhalten, unter die Oberfläche tauchen und uns darauf konzentrieren, den Augenblick auszudehnen. Wenn wir uns nicht nur tiefer begeben, sondern in der Zeit und Evolution zurückreisen, treffen wir auf unsere entferntesten Ahnen, die im Wasser lebten. Millionen Jahre später weisen unsere Körper immer noch, in stark verschlüsselter Weise, die Prägung dieses Daseins auf. Diese Geschichte verbindet uns, als Gemeinschaft und individuell, ab den ersten ungefähr neun Monaten im Fruchtwasser, wenn sich im Mutterleib unser Bewusstsein zu entfalten beginnt. Ist es dieses Gefühl der Verbundenheit und gegenseitigen Fürsorge, das uns – zutiefst neugierig – zurück unter die Wasseroberfläche zieht? Und uns nötigt, nach Wegen zu suchen, mit denen sich die Zeit in diesem alternativen Zustand verlängern lässt?

Das Wasser verbindet uns mit dem Leben. Mit allem Leben, das wir kennen. Wenn wir in die Tiefen hinuntertauchen, werden wir verletzlich, und wir sehen, fühlen und verstehen diese Zusammengehörigkeit auf eine neue Weise. Im Wasser zu sein, unterbricht den Fluss der Zeit, wie eine Meditation, gibt uns den Raum, uns neu einzustellen und andere Formen des Verstehens zu erreichen. Ein Kunsterlebnis kann uns ebenfalls aus dem Gewohnten aufrütteln, als Anregung oder Einladung dienen, tiefer einzutauchen; es wirkt auf unterschiedliche Art und Weise, und es ist nicht nötig, den Atem anzuhalten oder ein spezielles Sauerstoffgerät zu verwenden.

Julian und ich lernten uns bei der Vorbereitung einer Ausstellung kennen. Wir stellten hocherfreut fest, dass wir beide gern tauchen und uns für die Unterwasserwelt interessieren. Wir freundeten uns an und beschlossen, gemeinsam tauchen zu gehen. Wir reisten auf eine kleine Insel am südlichsten Ende des Great Barrier Reef. In diesem Aufsatz denke ich an diese besonderen Tage zurück, gehe auf Julians neue Videoarbeit von 2024 und die zugehörige Ausstellung Midnight Zone ein und befasse mich mit seiner künstlerischen Praxis und dem Tauchen. Ich möchte untersuchen, ob die umfassenden Erfahrungen unter Wasser möglicherweise eine Bewusstseinsveränderung ausgelöst und zur Entwicklung einer Art von „Tauch-Bewusstsein“ geführt haben, das sich auf Julians künstlerisches Vorgehen auf eine Weise ausgewirkt hat, die über die Erschaffung von Kunstwerken im Unterwasserreich hinausgeht.

Mein Interesse an dieser Frage wurde erstmals geweckt, als ich Julians Fotoserie Where Waters Meet (2019) sah. Die Bilder wurden unter Wasser aufgenommen und lassen an einen veränderten Bewusstseinszustand denken. Jedes zeigt eine einzelne, unbekleidete menschliche Figur, die scheinbar in einiger Entfernung in einer riesigen schwarzen Weite ausgesetzt ist. Die Darstellungen sind faszinierend und beunruhigend. In einigen Fällen lässt sich die Figur nicht vollständig erkennen. In einem Foto sind nur die Füße gut sichtbar; Beine und Körper sind angedeutet, verschwinden aber in einer nebeligen, wolkenähnlichen Substanz. In einem anderen scheint die Person horizontal über einer diffusen, nebelähnlichen Schicht zu schweben. Wir haben das Gefühl, in einen himmlischen, fast kosmologischen Raum zu blicken, da nicht sofort deutlich wird, dass diese Bilder unter Wasser entstanden sind. Jedes Werk hat einen Untertitel: 3.77 atmospheres und 3.98 atmospheres. Die meisten von uns denken beim Wort Atmosphäre an die – auch unsere Atemluft enthaltende – gasförmige Hülle, die unseren Planeten umgibt, mit abnehmender Schwerkraft dünner wird und schließlich dem unendlichen schwarzen Volumen dahinter weicht. An der Oberfläche, auf Meereshöhe, beträgt der atmosphärische Druck eine Atmosphäre – 1 atm. Taucher*innen wissen sehr genau, was es bedeutet, wenn diese Zahl größer wird. Für jeweils zehn Meter, die wir hinabsinken, steigt der Druck auf unsere Körper um jeweils eine Atmosphäre. In nur zehn Metern Tiefe eine weitere ganze Atmosphäre, da Wasser eine wesentlich größere Dichte besitzt als Luft. Beim Hinuntertauchen spüren wir, vor allem auf den ersten Metern, die Wirkung auf unsere Körper, und wir müssen aufmerksam bleiben und unser Verhalten anpassen, wenn wir überleben wollen. Bei einem Druck von 2 Atmosphären wird ein Luftvolumen um die Hälfte komprimiert. Stellen Sie sich vor, dies würde bei einem Ballon oder in Ihrem Blutkreislauf passieren, wo jede kleine schwebende Luftblase auf ähnliche Weise komprimiert würde. 3,77 Atmosphären bedeuten 27 Meter Tiefe – ein langer Weg nach unten, wenn man ihn ohne Gewichte und zusätzliche Luftzufuhr zurücklegt, einfach als ein einzelner Mensch. Ein Körper, der ein Bewusstsein hat.

Julian schuf Where Waters Meet in Mexiko in Zusammenarbeit mit Freitaucher*innen, die Expert*innen darin sind, diese Tiefen ohne eine zusätzliche Spezialausrüstung zu erreichen. Er selbst hatte mit Geräten in Cenoten getaucht, tiefen Höhlen oder Dolinen, die größtenteils mit bemerkenswert klarem Süßwasser gefüllt sind. Sie schienen ihm für dieses Projekt besonders geeignet, da er wusste, dass einige von ihnen Schwefelalgen beherbergen. Diesen ist es aufgrund ihrer Evolution möglich, an einem bestimmten Ort oder in bestimmten Schichten zu leben, in Gewässern, in denen sich die chemische Zusammensetzung von einer Schicht zur anderen plötzlich ändert, etwa von Salz- zu Süßwasser – Chemokline genannt. Die Anwesenheit dieser Algen zeichnet sich in der Dunkelheit als Wolke ab. Was wir in den Bildern sehen, ist also weder Staub noch Dampf, sondern eine Lebensform, die an die speziellen Bedingungen an diesem Ort, an dem zwei Wasserkörper aufeinandertreffen, angepasst ist.

In jedem Bild ist jeweils nur eine menschliche Figur zu sehen, ganz allein. Sie strahlt eine enorme Verletzlichkeit aus. Bis zu dieser Tiefe hinabzutauchen, ist für geübte Freitaucher*innen nichts Ungewöhnliches; es ist aber etwas völlig Anderes, sie zu bitten, dort zu verweilen. Diese Fotos wurden nur möglich, weil Julian erkannte, wie er unter diesen Voraussetzungen vorgehen musste. Für jede lebende Person und ihren Körper, die wir hier in der Tiefe wahrnehmen, wie sie Luft aus einem einzigen, langen, extrem ausgedehnten Atemzug schöpft, sind im Hintergrund andere gemeinsam mit Julian tätig, um den Erhalt dieses einen Lebens sicherzustellen – und die Anfertigung des Bildes zu ermöglichen. Dafür benötigt das Team Zeit sowie spezielle Tauchgeräte, Foto- und Beleuchtungsausrüstungen und sehr viele Atemzüge.

Für mich verstärkt das Gerätetauchen das Gefühl, lebendig zu sein. Es hat eine meditative Qualität und führt gelegentlich zu einer gesteigerten Wahrnehmung des Klangs und der Schönheit jedes einzelnen unserer Atemzüge, der Besonderheit der Luft und Atmosphäre, in der wir normalerweise leben. Vielleicht sind wir uns nicht bewusst, wie kostbar diese ist, bis wir sie hinter uns lassen oder einen Luftvorrat mitführen und erkennen müssen, dass dieser begrenzt ist. Zeit wird dann nach Atemzügen, Tiefe, Druck bemessen. Ebenso sind wir uns normalerweise nicht bewusst, dass unsere Körper ein wunderbares Geflecht aus voneinander abhängigen biologischen Funktionen sind, bis sie durch die Gerätschaften unserer Tauchausrüstung eine Erweiterung erfahren. Diese zusätzliche Ausstattung und die dahinterstehende menschliche Erfindungsgabe erinnern uns an die Evolution und die Präzision unserer Körperfunktionen, denen wir uns zuvor nicht bewusst waren und die unsichtbar ablaufen. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn wir atmen, hallt das Atemgeräusch durch die Hohlräume und das Diaphragma des Atemreglers der zweiten Stufe, der sich in unserem Mund befindet und über die erste Stufe mit dem Zylinder auf unserem Rücken verbunden ist. Zudem nehmen wir jeden Atemzug anders wahr, da sich der Schall durch Wasser schneller ausbreitet, und in unseren Körpern wird er auch von innen spürbar. Vor einem Tauchgang führen wir eine Anzahl von Kontrollen durch, um sicherzustellen, dass der Atemregler funktioniert, wir genügend Luft mitführen, dass Ventile, Gewichte, Clips, Schnallen, Flossen und Maske in einwandfreiem Zustand sind. Wenn wir die Funktion der Ausrüstung überprüfen, die die Fähigkeiten unseres Körpers erweitert, übernehmen wir Verantwortung für unser eigenes Leben und unsere Sicherheit. Wir führen die gleichen Kontrollen für unsere Tauchpartner*innen durch und hoffen, dass sie für uns dasselbe mit gleicher Sorgfalt tun.

In dieser Hinsicht bringt uns das Tauchen dazu, bewusst zu handeln, gewissenhaft zu sein und uns Wissen anzueignen. Verantwortungsvoll zu sein. Hierin ließe sich zumindest ein prozedurales Vorgehen erkennen: Mach dies, dann das – eine Abfolge von Tests und Abgleichungen. Das Tauchen profitiert jedoch von vielen unterschiedlichen Arten des Wissens. In einer Zwangslage können solche Kenntnisse lebensrettend sein: Sie ermöglichen uns, besser auf Fehlfunktionen, einen Strömungswechsel, eine Veränderung der Oberflächenbedingungen, eine medizinische Notsituation oder einen Vorfall mit Wildtieren zu reagieren. Wie Künstler*innen sind auch die besten Taucher*innen reaktionsschnelle, zutiefst neugierige wandelnde Enzyklopädien ungewöhnlichen Wissens. In beiden Disziplinen ist es von Vorteil, dieses Wissen flexibel anzuwenden und es parat zu haben. Unter Wasser zu sein, hat – wie das Erstellen oder Erleben von Kunst – viel mit Aufmerksamkeit zu tun. Taucher*innen, Künstler*innen und Betrachter*innen besuchen das Unbekannte, das Unerwartete. Wenn wir vorbereitet sind, können wir uns dem Unbekannten besser annähern und Fragen stellen: Wenn wir zum letzten Ende gehen, zum Ende des Endes, was erwartet uns dort? Was sehen wir vielleicht? Was können wir zurückbringen?

Es ist sehr ungewöhnlich, dass wir in der ausgedehnten schwarzen Leere der Bilder von Where Waters Meet die Taucher*innen in der Ferne so deutlich erkennen können. Wir spüren kaum die Präsenz des Wassers. Dies ist auf die charakteristische Klarheit des Wassers in den Cenoten zurückzuführen, das über längere Zeit und sehr langsam durch den umgebenden Kalkstein nach unten fließt und dabei gefiltert wird. An anderen Orten auf der Erde enthalten Wasserkörper eine sehr viel „suppigere“ Mischung aus Partikeln, Rückständen und Lebewesen. In den Tropen, deren Gewässer generell für gute Sichtverhältnisse bekannt sind, könnte man bis zu 30 Meter weit schauen; entferntere Details sind nicht mehr erkennbar. In einem See, einem Fluss oder den Polargewässern ließe sich möglicherweise nur ein Drittel dieser Distanz ermessen, oder sogar weniger. Gute Sichtverhältnisse – von Taucher*innen auch „gute Vis“ genannt – sind relativ. Die langsam gefilterten Gewässer dieser Höhlen gehören zu den klarsten, die sich finden lassen.

Da das Wasser, durch das wir hindurchschauen, nicht sichtbar ist, gibt es nur wenige Hinweise darauf, dass auf den Bildern Taucher*innen zu sehen sind. Freitaucher*innen werden meistens mit Flossen oder beim Abstieg mithilfe eines stark beschwerten Tauchschlittens dargestellt. In der Disziplin des Tieftauchens mit konstantem Gewicht – insbesondere ohne Flossen – verlässt man sich allein auf den Körper. Es ist eine der anstrengendsten und – wie manche sagen würden – „reinsten“ Formen des Freitauchens. In den Bildern der Serie Where Waters Meet weiten die Taucher*innen ihr gewohntes Training aus; sie halten genau an dem Ort inne, von dem wir annehmen, dass sie von dort möglichst schnell zur Wasseroberfläche zurückkehren müssten, um wieder einzuatmen. Von diesen Momenten der Stille geht eine umfassende Qualität aus, die nicht so sehr auf das Tauchen als Aktivität oder diese*n Taucher*in gerichtet ist, sondern auf ein Bewusstsein der körperlichen Grenzen, denen sich der Mensch annähern kann. An der Grenze dessen, wo Leben noch möglich zu sein scheint, wird das Leben selbst zum Thema.

Die Koordination und die Expertise, die für die Erschaffung eines solchen Bildes benötigt werden, dienen eher als Werkzeuge, um diese Wirkung zu erreichen, sie bleiben jedoch verborgen. Raum und Entfernung sind wichtige Elemente; die Existenz der geheimnisvollen Wolkenbank bakteriellen Lebens hilft uns dabei, ein Gefühl für die Tiefe zu entwickeln. Verschiedene Grenzzustände deuten sich an: ein Raum endloser Möglichkeiten vor einem irdischen Leben, der Zwischenzustand des Fegefeuers oder der Übergang zu einer endgültigen Erfahrung eines externen Lebens nach dem Tod.

Where Waters Meet [2.31 atmospheres] (2019) erinnert an Hieronymus Boschs Gemälde Aufstieg der Seligen (1505–1515). Über den Wolken führen dort Engel die einzelnen Seelen durch die Dunkelheit zu einem strahlenden Tunnel aus Licht. Jedes der hier im Übergang befindlichen Individuen ist nackt. In Julians Fotografie ist die unbekleidete Einzelfigur allein, ohne Hilfe, scheinbar orientierungslos. Sie schwebt im Raum und es wird nicht deutlich, ob sie zum Licht hingezogen wird oder von ihm weg fällt. Die enormen Möglichkeiten menschlicher Erfindungsgabe – und eng damit verknüpft die tragischen Implikationen der Hybris, des maßlosen Stolzes und der Selbstüberschätzung – sind die zentralen Motive in der Sage von Ikarus und seinem Vater, dem Erfinder Dädalus, wie Ovid sie geschildert hat.[1] Dädalus fertigt zwei Paar Flügel an, beide sind begeistert von der Erfahrung des Fliegens. Ikarus vergisst darüber die Warnung seines Vaters, der Sonne nicht zu nahe zu kommen, er achtet nicht ausreichend auf die Technologie, die ihn trägt. Er ist nur ein Kind und vergisst aufzupassen. Sein Verhalten führt leider dazu, dass seine Flügel schmelzen und er in den Tod stürzt. In einer Darstellung dieser Szene, die lange Pieter Bruegel dem Älteren zugeschrieben wurde[2], sind nur Ikarus’ Beine zu sehen; der Rest seines Körpers ist bereits im Meer verschwunden. In der schwarzen Tiefe der Cenote beschwört Julian Charrière ein sehr ähnliches Bild herauf. Nachdem er den von den Menschen bewohnten Gefilden entronnen ist, sucht Dädalus nach seinem Sohn:

„Ikarus, ruft er; Ikarus, ruft er, wo bist du?

wo soll ich dich suchen, du trauter Ikarus?

ruft er laut, und erblickt in den Wogen die Federn.

Und er verwünscht die eignen Erfindungen […].“

Es bestehen immer gewisse Spannungen zwischen dem, was durch Erkundung, Erfindung und dem Streben nach Wissen erreicht werden kann, und einer sorgfältigen Durchführung. Diese Spannungen sind im weiteren Sinne auch für Julians künstlerisches Vorgehen prägend, er ist gleichermaßen auf die Gefahren durch einen Mangel an Voraussicht, durch Hybris und mögliche Unglücke und Verluste bedacht. Wie können wir einen Weg in eine bessere Zukunft beschreiten und dabei sicherstellen, dass wir nicht ungewollt zu hoch fliegen?

Diese Fragen finden eine neue Ausdrucksform in Julians Werk Midnight Zone, einer Videoarbeit, die ebenfalls unter Wasser entstand, dieses Mal in der Clarion-Clipperton-Bruchzone, die im Zentralpazifik zwischen Hawaii und Mexiko liegt. Dieses Ultra-Tiefseegebiet besitzt eine bemerkenswerte Biodiversität; uralte thermale Quellen, Tiefseeberge und Meeresboden beheimaten eine vielfältige Bandbreite kaum bekannter Lebensformen. Einige von ihnen haben ihren Lebensraum auf den riesigen Feldern polymetallischer Knollen, die reich an seltenen Mineralen wie Mangan, Nickel, Kupfer und Kobalt sind. Es handelt sich um das zurzeit größte separate Gebiet, in dem man sich auf die Erkundung des Tiefseebergbaus und die Vergabe von Verträgen durch die Internationale Meeresbodenbehörde konzentriert. Die Knollen wachsen ungewöhnlich langsam, einen Zentimeter im Verlauf von mehreren Millionen Jahren. Mineralische Schichten lagern sich um einen Kern an, der manchmal aus biologischer Materie wie etwa einem Haizahn besteht. Sie können die Größe eines Eis oder einer Kartoffel erreichen, sodass der Unterwasserabbau dieser „Felder“ mit dem Ernten von Kartoffeln verglichen wird. Nach ersten Tests wird wohl bald eine Ausweitung dieser Maßnahmen anstehen – unter dem Einsatz spezieller ferngesteuerter Roboter, die wie ein Nachfahr eines Maulwurfs und eines Müllautos anmuten. Die Metalle sind unverzichtbar für die Technologien, mittels derer unserer Welt in eine kohlenstoffarme Wirtschaft verwandelt werden soll. Dennoch hat die Zerstörung dieses uralten Lebensraums und dieser kaum bekannten Lebensformen, die mit so wenig Achtsamkeit vor sich geht, etwas Entsetzliches an sich. „Diese Gebiete sind die am wenigsten erforschten der Erde. Schätzungen zufolge sind nur ein Zehntel der dort unten lebenden Arten wissenschaftlich erfasst worden“, schreibt der Meeresökologe Thomas Dahlgren, der 2024 Teilnehmer einer Forschungsexpedition war. „Wir müssen mehr über dieses Milieu in Erfahrung bringen, um die dort lebenden Spezies schützen zu können.“[3] Während eilends Bergbautechniken und internationale rechtliche Rahmenbedingungen entwickelt werden, sehen wir einer komplexen und bedrohlichen Zukunft entgegen, in der wir möglicherweise eine ausgedehnte, aber weitgehend unbekannte Umwelt destabilisieren, die mehrere tausend Meter unterhalb unserer Tageslichtrealität liegt und deren Rolle innerhalb unseres größeren Erdsystems wir noch nicht vollständig verstanden haben. Einer neueren Studie zufolge scheinen polymetallische Knollen „dunklen Sauerstoff“ zu produzieren, ohne dafür Licht zu benötigen.[4] In dieser Wassertiefe ist Sauerstoff rar, aber lebensnotwendig für die dortigen Organismen. Viele Wissenschaftler*innen glauben, dass das Leben seinen Ursprung in den hydrothermischen Tiefseequellen hat.

In seiner Videoarbeit Midnight Zone kreiert Julian Charrière ein Leuchtfeuer, um die Tiefen zu erhellen, und fordert uns dazu auf, diese Thematik zu unserem eigenen Leben und unserem Weltverständnis in Beziehung zu setzen. Dafür baute er eine Fresnel-Leuchtturmlinse und schuf damit im Grunde eine Unterwasserlaterne. Dies ist eine beachtliche Leistung, wenn man den außerordentlich starken Wasserdruck bedenkt. Die Ergebnisse sind faszinierend – brillante Blauschattierungen hüllen uns ein, während wir absinken, werden zu tiefdunklem Marineblau, dann zu Schwarz. Eine langsame Umhüllung. Unsere Augen passen sich an und wir nehmen den suggestiven Lichtschimmer wahr, der durch die mitternächtliche Düsternis streicht. Als würden wir wie die Bewohnerschaft des Tiefseereiches realisieren, dass es hier noch mehr zu sehen gibt. Das Licht wird stärker, noch können wir seine Quelle nicht erkennen. Plötzlich schwimmt ein Fisch vorbei. Als der Lichtstrahl weitergleitet, werden für einen Moment weitere Fische sichtbar, auch sie in Bewegung. Dann wieder Dunkelheit.

Als Erinnerung an das Unbewusste oder an eine symbolische Geisterstunde übernimmt Julian Charrière den Titel für sein Werk Midnight Zone von der Tiefseeregion unterhalb von 1000 Metern, in die das Sonnenlicht nicht vordringt. Rotes, orangefarbenes und gelbes Licht scheint nur wenige Meter ins Wasser hinein, danach nehmen wir nur Blau wahr, immer tiefer und dunkler wird es zu Schwarz. Die Mitternachtszone oder das Bathypelagial ist der größte Lebensraum auf der Erde; er umfasst ungefähr 70 Prozent des gesamten Meereswassers. Darunter liegen in noch größerer Tiefe das Abyssal und das Hadal, Zonen, in denen das Licht nur vom Leben selbst ausgehen kann. In dem Video wird das umherschweifende Signal der Laterne, eine Abfolge breiterer und schmalerer Strahlen, zu einem ungewöhnlichen Leuchtfeuer inmitten des Ozeans, das eine Myriade unterschiedlicher Lebewesen anzieht, die diesen Gast umkreisen und erforschen.

Größere Fische wie Stachelmakrelen und Haie ziehen gemächlich vorbei, während andere Schwärme bilden und sich zu ihrem Schutz im Einklang bewegen. Im Video Midnight Zone ist das Wasser deutlicher erkennbar als in der Fotoserie Where Waters Meet, da das Licht sich hindurchbewegt und Partikelwolken, Algen und anderes organisches Material beleuchtet. Die Ursuppe und der Kreislauf des Lebens.

Wir finden uns besser zurecht, wenn wir die Lampe und die Lichtquelle sehen, die skulpturale Form der Vergrößerungslinse aus geriffeltem Glas, die in der Laterne rotiert. Die Fresnel-Linse wurde im frühen 19. Jahrhundert entwickelt, um Licht zu konzentrieren und zu verstärken, wodurch eine sehr viel größere Reichweite über das Meer hinweg und über die Erdkrümmung hinaus möglich wurde. Wenn wir an einen Leuchtturm denken, wird uns die charakteristische Lampe auf der Spitze eines aufragenden und hoch auf einer Klippe oder einem Felsvorsprung gelegenen Gebäudes in den Sinn kommen. Ein Symbol, das sowohl auf Gefahren hinweist als auch zu Sicherheitsmaßnahmen rät: „Achtung, überprüfe deinen Kurs, meide diese Felsen“ und – die Dunkelheit durchdringend – „Seid unbesorgt, ich bin im Dienst“.

Im Gegensatz hierzu ist die Laterne in Midnight Zone nicht sichtbar verankert; es gibt keine Verbindung zum Land. Sie hängt unter einem Schiff. Manchmal befinden wir uns als Betrachtende unterhalb der Lichtquelle. Wir nehmen einen Raum von unendlicher Tiefe und unermesslicher Weite wahr, der sich unterhalb des Leuchtfeuers erstreckt. Es gibt Phasen, in denen keine Fische vorbeischwimmen und wir könnten wiederum die Vorstellung entwickeln, dass dieses schwarze Unterwasserreich aus Luft besteht oder sich in den Tiefen des Weltalls befindet. Dann zerbricht die Traumvorstellung, weil die Silhouetten von einem Kopf, Flossen und einem Schwanz im Glanz der Lampe auftauchen. Manchmal öffnet sich eine andere Traumwelt, in der eine Vielzahl kleiner Fische die Laterne entgegen dem Uhrzeigersinn umrundet und eine andere Spezies in ihrem eigenen Rhythmus dazukommt, beide einander umkreisen und sich voneinander lösen, als würden sie von einem unsichtbaren Kraftfeld gesteuert. Die Muster sind miteinander verwoben und verändern sich – von Kreisen und Kurven zu plötzlichen Richtungswechseln. Ich fühle mich an ein Zeitrafferbild der Sterne am Nachthimmel erinnert, die nicht mehr als einzeln strahlende Punkte erscheinen, sondern in einen geschwungenen Lichtstreifen verwandelt werden.

Manche Lebewesen haben ihre eigene Beleuchtung. Ein Borstenwurm, der an einen untergetauchten Tausendfüßler erinnert, schwimmt vorbei. Ein langer, spiraliger Schwanz, der eine Lichterreihe trägt, besitzt die Schönheit eines fraktalen Traums. Das Geschöpf ist mit langen, strahlenden, ausgestreckten Fühlern gekrönt. Diese Lichtreihen bewegen sich gemeinsam, doch ist es kaum möglich, sie mit einer uns vertrauteren Anatomie aus unserer Vorstellungswelt zu verknüpfen. Nur im vorbeistreifenden Licht der Laterne ist ein außergewöhnlicher transparenter Körper zu erkennen, dessen Beine jeweils in einer Art Blütenblatt enden; sie alle scheinen zu flattern und treiben dieses merkwürdige Wesen durch das Wasser. Der Biolumineszenz kommt hier in der Tiefe eine Sonderstellung zu: Sie ist nicht nur ein Signal, sondern möglicherweise eine fortgeschrittene Täuschungsstrategie, ein leuchtendes Lockmittel – so wie man früher gelegentlich Feuer anzündete, um einen Leuchtturm vorzutäuschen und Seeleute und ihre Fracht an gefährliche Felsenküsten zu locken.

Ein weiterer Augenblick der Dunkelheit, dann ein Lichtimpuls. Die charakteristische Form eines Vampirtintenfischs schwebt in den vorüberstreifenden Lichtbereich, den Kopf nach unten gerichtet, zielstrebig. Seine durch Häute verbundenen Glieder sind zu einer Glockenform gespreizt, die nach oben weist. Wieder Dunkelheit. Ein weiterer Lichtstrahl streift und erhellt eine intensiv rot-schwarze Haut und eine schwarze Innenmembran. Die biolumineszenten Eigenschaften des Tintenfischs erinnern mich an einen nächtlichen Flug über eine Stadt. Ein Raumschiff in der Tiefe, klein in der unermesslichen Weite.

In der Videoarbeit Midnight Zone wird das rhythmische Kreisen der Lichtstrahlen durch die Dunkelheit ausgeglichen, in einem Ausmaß und auf eine Art und Weise, die unsere Erfahrung des Wissens und Nichtwissens, des Sehens und doch nicht ganz Verstehens zu beschreiben scheinen. Wie wir mit diesem Raum des Nichtwissens, der Dunkelheit oder dem Prozess der Suche nach Wissen umgehen, ist unerlässlich für ein tieferes Verständnis. Es ist nicht allein zielführend, dieses mit Büchern, Erzählungen oder anderen Arten der Wissensvermittlung zu erwerben; manchmal müssen wir unsere körpereigenen Erfahrungen und Wahrnehmungen und Möglichkeiten einsetzen. Durch dunkle Wasser schwimmen.

Ich sehe eine rollende, kletternde Bewegung,

viele Gliedmaßen, koordiniert und gut getarnt.

Das Auge, der Kopf. Ein Oktopus.

Ich tauche auf und finde Julians Aufmerksamkeit.

Wieder eintauchend orientiere mich neu und suche.

Er ist erstarrt, wachsam,

an derselben Stelle. Wir schauen ihm zu, so lange wir können,

fasziniert, bevor wir wieder auftauchen.

Zurück in der Tiefe sehen wir, dass er/sie

Zuflucht unter einem nahen Fels gesucht hat.

Als ich darunter spähe, bin ich für einen Moment – Auge in Auge –

mit einem anderen Leben verbunden.

Gibt es so etwas wie ein „Tauch-Bewusstsein“, wie ich weiter oben vorgeschlagen habe, und wenn ja, wie könnte es sich auf Julians künstlerische Praxis auswirken? Was habe ich in der Zeit gelernt, als wir gemeinsam tauchten? Wir begannen unser Unterwasserabenteuer voller Freude auf eine Zeit intensiven Gerätetauchens in einer vielfältigen Meeresumgebung. Für uns beide war es eine Möglichkeit, an frühere Unterwassererfahrungen anzuknüpfen, Abstand von der Arbeit zu gewinnen, uns zu erholen, frische Energie zu tanken. Zu sein, aber anders.

Beim Tauchen, dem Gerätetauchen, erfährt man eine Umformung und wird zu einem anderen Geschöpf. Auf dem Land, beim Atmen, können wir daran glauben, dass unser Körper autonom, von der Welt getrennt und unter unserer Kontrolle ist. Unsere Kleider sondern uns zusätzlich von unserer Umgebung ab und gestatten es, uns in ein schützendes Mikroklima einzuhüllen. Wir tun dies, ohne weiter darüber nachzudenken; es ist ein Standardverhalten. Man müsste zu viele Erklärungen abgeben, wollte man sich in der Welt ohne diese schützende, kulturell verankerte Schicht bewegen.

Bei der Vorbereitung eines Tauchgangs mit Geräten nimmt man sehr genau wahr, welche Dinge man dem Körper hinzufügt und welche Funktion diese haben. Die isolierende Haut des Taucheranzugs kann sehr warm sein und sich an Land oder im Boot unangenehm anfühlen. Hinzu kommen Tarierweste, Gewichte, Flossen und Maske. Außerhalb des Wassers wirkt man unbeholfen.

Wenn man von einem Boot aus taucht, kann der Eindruck von kontrolliertem Chaos entstehen, da alle Beteiligten dabei sind, ihre Ausrüstung zusammenzustellen. Ich erinnere mich an unseren ersten Tauchgang. Wir nahmen die Kontrollen vor, erst für uns selbst, dann beim anderen. Dann ging es ins Wasser; wir ließen Luft aus der Tarierweste ab und schwammen langsam in die Tiefe. Als wir das warme Sonnenlicht hinter uns ließen, wurde das Wasser kühler, sein Blau dunkler. Nach den ersten Metern kann es leicht passieren, dass man schneller absinkt, als einem bewusst ist. Die ganze Ausrüstung, die außerhalb des Wassers so plump wirkt, arbeitet plötzlich wie eine Erweiterung des Körpers.

Unter Wasser kann das Gefühl der Verbundenheit intensiver werden, aber man nimmt auch das eigene Innenleben deutlicher wahr. Man fühlt sich vielleicht verletzlicher, hat mehr Distanz zur eigenen Art. Ohne die Möglichkeit, Sprache einzusetzen, macht man Klopfgeräusche, um Aufmerksamkeit zu erregen; außerdem gibt es Handsignale. Ohne Sprache übersetzen wir unsere Bewusstseinslage anders. Geräusche werden womöglich zu einer Ablenkung. Eine Grundregel beim Gerätetauchen besagt, dass man in der Nähe des Tauchpartners oder der Tauchpartnerin bleiben und aufeinander achtgeben soll. Scuba – der englische Begriff für Drucklufttauchgerät – ist ein Akronym, das auf die Worte „self-contained underwater breathing apparatus“ (Autonomes Unterwasser-Druckluft-Atemgerät) zurückgeht. Es erinnert daran, wie unnatürlich unsere Anpassung an den Aufenthalt unter Wasser ist. Wenn dieses System versagt, gibt es nur ein begrenztes Zeitfenster, in dem man reagieren kann. In Extremsituationen muss man seinem*r Partner*in seinen Reserveregulator überlassen oder gemeinsam einen Notaufstieg einleiten. Im Fall der größtmöglichen Katastrophe muss gegebenenfalls eine Rettungsaktion durchgeführt und der oder die bewusstlose Taucher*in schnell an die Wasseroberfläche zurückgebracht werden. Wenn man als Tauchpartner*in nicht in der Nähe oder unaufmerksam ist, droht Lebensgefahr.

Die Notwendigkeit, achtsam und vorbereitet zu sein, schärft die Aufmerksamkeit für die Qualität der gegenseitigen Verpflichtung. Wenn man etwa zu einem*r Tauchpartner*in Vertrauen oder eine starke Bindung hat, kann man sich gefahrloser entspannen und ist sich der unterstützenden Ausstattung weniger bewusst. Es wird möglich, die Aufmerksamkeit nach außen, auf die Umgebung, auszurichten. In Entsprechung zum Wasser, das aufgrund seiner größeren Dichte Schall effizienter weitergibt, fühlen sich die Taucher*innen über Schwingungen stärker mit ihren Tauchpartner*innen wie auch mit der Umwelt verbunden. Ich glaube, dass unser Gehirn und unser Körper sich verändern. Es gibt einen Gefühls- oder Energiestrom zwischen der Meeresumgebung und den Körpern. Meine Selbstwahrnehmung ist gelöster, körperlicher – als würde mein Gehirn nicht mehr allein Regie in meinem Körper führen, als würden mein Verstand und mein Selbst sich nun bis ins Wasser erstrecken, vielleicht atomisiert oder darin aufgelöst.

Diese Empfindung intensiviert sich vielleicht, wenn man sich ohne Taucheranzug oder mit wenig Ausrüstung – nur mit Flossen, Schnorchel und Maske – im Wasser befindet. Das Gefühl, beim Untertauchen zu einem anderen Wesen zu werden, wird verstärkt. Da ist nur wenig, was einen von allem Anderen rundherum trennt. Sich durch das Wasser, vielleicht unter einem Felsvorsprung entlang oder durch einen Bogen oder Tunnel zu bewegen, ähnelt dem Fliegen. Wenn man sich daran gewöhnt hat, den Atem anzuhalten, erblickt man immer mehr, was man erforschen könnte. Unser Körper besteht zu mehr als 60 Prozent aus Wasser. Daher bewegt sich in dieser Umgebung nicht nur der Schall schneller durch uns hindurch, sondern auch andere Wahrnehmungsformen. Wir gehen eine engere Verbindung mit dem uns umgebenden Leben ein: gesehen, gespürt, imaginiert, noch zu entdecken. Noch zu sein.

Ich erinnere mich, wie neugierig wir waren, als wir unter die Wasseroberfläche tauchten. Ich machte ein Foto von Julian – in etwa vier oder fünf Metern Tiefe. Er hatte verharrt, um eine Grüne Meeresschildkröte zu betrachten, die zwischen uns schwamm. Normalerweise wäre das Tier optisch mit dem dunkelblauen Wasser verschmolzen, hob sich nun aber deutlich von Julians schwarzen Shorts, Shirt und Flossen ab. Sie waren wohl weniger als zwei Meter voneinander entfernt und schienen sich gegenseitig intensiv zu mustern. Für beide bestand die Notwendigkeit, schließlich an die Oberfläche zurückzukehren, um zu atmen – für Julian früher. Wasser kann ein Medium für derart wertvolle Verbindungen, Neugier und ein erweitertes Bewusstsein sein. Wo wir uns einander – und dem Leben in all seiner Vielschichtigkeit – näher fühlen.

Julian bringt genau diese Qualitäten – Sorgfalt, Neugier und eine umfassende Bewusstheit – in seine künstlerische Tätigkeit ein. In Midnight Zone gibt das rhythmische Pulsieren der Laterne eine zeitliche Struktur vor, die der Wahrnehmung unseres eigenen Atems nicht unähnlich ist. Wir werden ermutigt, unsere Sinne hinaus in die Meerestiefe zu richten, das Gesehene zu überdenken und auch eine gewisse Verantwortung zu übernehmen. Nicht nur in diesen Gewässern, sondern ebenso für die umfassenderen Wechselbeziehungen allen Lebens auf unserem Planeten, im Bewusstsein seiner Entstehung und seiner Möglichkeiten in zukünftigen Zeiten.

In den seichten Gewässern verändern sie sich von tintigem Schwarz

zu einem milchigen Farbton von sandigem Grau,

eine Bewegung fleckiger Muster, wie ein Feld länglicher

Tarnkappenbomber oder Pfeilspitzen mit eigenem Antrieb,

schimmernd. Vorübergehend gestreift mit Gold

und Türkis. Die Augen groß.

Ein kleiner Schwarm von zwanzig oder mehr Tintenfischen,

gemeinsam steigen sie in den Wellen auf und fallen zurück,

geschützt, fast unsichtbar von oben.

Unser erstes Wunder. Wir schwimmen hinaus,

die Sonne auf dem Rücken, und wenden uns

den tieferen Rändern des Riffs zu.


[1] Ovid, Metamorphosen, Buch 8. Übersetzung von Johann Heinrich Voß, 1798, online: https://www.textlog.de/35358.html [24.03.2025].

[2] Aktuell kann das Werk keinem*r Urheber*in klar zugeschrieben werden.

[3] Keith Cowing, „Away Team Report: Unknown Species Discovered on a Deep-Sea Expedition to the Clarion Clipperton Zone“, in: Astrobiology, Bd. 9. Juni 2024, online: https://astrobiology.com/2024/06/away-team-report-unknown-species-discovered-on-a-deep-sea-expedition-to-the-clarion-clipperton-zone.html [24.03.2025].

[4] Vgl. Andrew K. Sweetman u. a., „Evidence of Dark Oxygen Production at the Abyssal Seafloor“, in: Nature Geoscience, Bd. 17, 2024, S. 737–39, online: https://www.nature.com/articles/s41561-024-01480-8 [24.03.2025].