Choralography, 2025

Site-specific multichannel sound installation

Choralography ist ein räumliches Experiment, das die bioakustische Landschaft von Korallenriffen an die Meeresoberfläche bringt. Die Soundinstallation erstreckt sich über die ersten vier Ausstellungsräume und lässt die Besucher:innen in ozeanische Klangwelten eintauchen. Sie thematisiert die andauernde Fehlannahme, dass diese Regionen stumm wären. Vom rhythmischen Klicken der Krustentiere zu den vielfältigen Stimmen der Fische, vom fernen Lied der Wale zum knisternden Rauschen mikrobiellen Lebens, enthüllt die Arbeit eine Umgebung, in der akustische Konversation ebenso wichtig für die Entwicklung von Leben ist, wie Licht.

In Choralography schenkt Julian Charrière diesen zarten, aber bedeutenden Kommunikationssystemen Aufmerksamkeit und eröffnet damit eine Welt, die sich den menschlichen Sinnen normalerweise entzieht. Der Aufbau entwickelt sich auf natürliche Weise, als würden die Besucher:innen gerade leicht unter die Wasseroberfläche hinabtauchen. Im weiteren Verlauf wird der Klang jedoch zunehmend verzerrt. Während die Umgebung immer dunkler wird, übersetzt eine immer stärkere und unheimlichere Geräuschkulisse die Dissonanzen zwischen der zeitlichen Ausbreitung von Klang im Wasser und in der Luft. Im Wasser breitet sich dieser nämlich 4,3-mal schneller aus. Bewegen sich die Besucher:innen durch die Räume, ist die Klanglandschaft einer subtilen, aber beunruhigenden Veränderung unterworfen und entwickelt sich von einem lebhaften, biophonen Konzert zu einer spärlicheren, aber schrilleren akustischen Umgebung, in der die Anthropophonie, also der allgegenwärtige akustische Fussabdruck menschlicher Aktivität, langsam die natürlichen Stimmen des Riffs übertönt. Diese allmähliche Erosion klanglicher Biotope spiegelt die Realität mariner Ökosysteme weltweit wider, in denen sich menschliche Eingriffe zunehmend nicht nur durch Förderung und Umweltverschmutzung bemerkbar machen, sondern auch durch störenden Lärm. Es ist eine Dichotomie, in der das Leben des Riffs zum Schweigen gebracht wird, während unsere Präsenz immer lauter wird. In Choralography wird jedoch auch die regenerative Kraft von Klang thematisiert. Diese zeigt sich in einem wissenschaftlich entwickelten Prozess, der mit dem Prinzip der „akustischen Anreicherung“ arbeitet. Dafür spielen Unterwasser-Soundsysteme den Klang gesunder Riffe in Gebieten ab, die beschädigt oder verlassen sind. Die Dauerschleife des Playback trägt zu einer grösseren Artenvielfalt bei – Klangsignale führen zur Rückkehr des Meereslebens, wo es einst als unwiederbringlich verloren galt.

Die zwischen diesen Paradiesen und Dystopien angesiedelte Arbeit ist für die Ausstellung, die zwischen der Poetik und der Politik der Meere oszilliert, tonangebend: Eine nicht greifbare, dennoch physisch erfahrbare Installation, die einen Dialog zwischen Präsenz und Absenz, Vergangenheit und Zukunft inszeniert, und die Landbewohner:innen dazu einlädt, mit dem Wasser zu denken – und die Tiefsee auf halbem Weg kennenzulernen.


Credits
Composition and Sound Design: Nino Theys

Acknowledgments
The artist would like to thank the many scientists who contributed
invaluable underwater field recording and support along the way,
including Ben Williams, Mars and Sheba (University College
London); Aya Naseem (Maldives Coral Institute); Freda Nicholson
(Mars, Australia) and the National Oceanic and Atmospheric
Administration (NOAA).