unleashed. Neu beleuchtet: Frühe Erkundungen interaktiver Medien in der visuellen
Kommunikation

3. – 20. Oktober 2024

Eine Ausstellung anlässlich der AGI Open zu Gast im Museum Tinguely

Die Ausstellung unleashed lädt dazu ein, die Anfänge interaktiver Medien in der visuellen Kommunikation der Schweiz neu zu entdecken. Sie verbindet diese frühen Erkundungen mit aktuellen künstlerischen Experimenten rund um Technologien wie Generative KI und Virtuelle Realität. Dabei offenbart sie überraschende Parallelen zu Jean Tinguelys Werk und präsentiert eine Vielzahl experimenteller Beispiele im künstlerisch-gestalterischen Umgang mit interaktiven Medien von den 1990er Jahren bis heute. Mit Arbeiten unter anderem von Demian Conrad, Ted Davis, Esther Hunziker, Dirk Koy, Jürg Lehni, sowie Pipilotti Rist.

Im Mittelpunkt von unleashed stehen herausragende historische Projekte, die aufgrund technologischer Innovationen lange Zeit nicht gezeigt werden konnten. Diese Projekte gelten als Vorläufer von Game Design, generativer KI und virtueller Realität. Durch moderne medienarchäologische Methoden konnten sie nun restauriert werden und sind erstmals wieder auf zeitgenössischen Computersystemen zugänglich.

Die Ausstellung schliesst damit eine wichtige Lücke und ermöglicht eine Auseinandersetzung mit den ästhetischen, kulturellen und gesellschaftlichen Besonderheiten der frühen interaktiven Medien im Kontext gegenwärtiger Entwicklungen.

Im Vergleich zur ‹objektiven› Kommunikation der 1950er Jahre macht unleashed den Übergang zu einem experimentellen Umgang mit Technologie sichtbar. Die sogenannten Autorenprogramme der frühen 1990er Jahre ermöglichten es Designer:innen, ohne umfassende Informatikkenntnisse in das Interaktionsdesign einzutauchen. Dies erlaubte es, die Schnittstelle zwischen Benutzer:innen und Computer experimentell zu hinterfragen und die Technologien sowie die damit verbundenen marktstrategischen Absichten in Frage zu stellen. Auch die Zweckgebundenheit rückte in den Hintergrund. Dies führte zu einer poetischen Wirkung, die Parallelen zu Tinguelys Werk aufweist.

Jürg Lehni, Otto, 2014. Brushless DC motors, sprung steel reels, chalk tool head, cables, custom-made controller and software interface, based on the open-source Paper.js software framework, also created by the artist. © A Taxonomy of Communication, Jürg Lehni & Jenny Hirons, 2016, Photograph from the exhibition: OK Computer – Sprachen der Ordnung, Sitterwerk, 30 October 2022 – 5 February 2023, Jürg Lehni

Die Betrachtung aktueller Technologien wie Generativer KI und virtueller Realität wirft zugleich die Frage auf, ob auch heute noch Raum für solche kreativen Abweichungen besteht oder ob standardisierte Programme sowie Social-Media-Filter, den visuellen Ausdruck nivellieren und damit das Originäre auflösen.

Die Auswahl der gezeigten Arbeiten basiert auf einer medienarchäologischen Methode nach Jussi Parrika. Dieser Ansatz, dem die Kurator:innen Annette Schindler und Michael Renner folgen, nutzt das Studium historischer Medienpraktiken, um zeitgenössische und zukünftige Tendenzen sowie mediale Ergebnisse besser zu verstehen.

Esther Hunziker, TV, 1996, S-VHS (transferred to DV Pal). Screenshot by Curators

Thematische Schwerpunkte und Beispiele:

Vorläufer der interaktiven Medien: Präsentiert werden frühe Werke, darunter Pipilotti Rists Video Ich bin nicht das Mädchen, das viel vermisst (1986) und eine experimentelle 16mm Stop-Motion-Animation Lux (1982) von Frederick Burbach.
 

Grundlegende Interaktion: Einblicke in erste Programmier-Experimente: Diese Arbeiten, die auf die Interaktion zwischen Mensch und Maschine ausgerichtet sind, stehen im Dialog mit dem TV-Projekt von Esther Hunziker, bei dem die Interaktion zwischen dem Europäischen PAL und dem amerikanischen NTSC-Videoformat künstlerisch eingesetzt wird.
 

Interaktive Werkzeuge: Verschiedene Tools, die Aspekte des kreativen Schaffens am Bildschirm in spezifischen Applikationen ermöglichen, darunter sind Zeichnungs-, Animations-, Programmier- und Sound-Werkzeuge.
 

Schnittstellen erforschen: Untersuchung von Interfaces, die Informationen zugänglich machen, zum Beispiel im Kontext von Ausstellungen zu Verner Panton, Luis Barragan, Marcel Duchamp sowie Esther Hunzikers vielfach ausgezeichnete Arbeit Nord, die auf einem Roman von Felix Zbinden beruht.
 

Physische Computer: Werke, die den Rechner räumlich einsetzen, wie Jürg Lehnis Hektor, ein zeichnender Roboter, ausserdem interaktive Installationen.

Heute: Generative KI und Virtuelle Realität: Kritische Auseinandersetzungen von Claudia Colombo, Korina Galika und Alper Yagcioglu, die durch Sprache (Prompts) Bilder erzeugen sowie eine Arbeit von Ted Davis, bei der die Eingabe von Begriffen hingegen eine Störung von Bilddaten hervorruft (Glitches) und so abstrakte Bilder erzeugt. Im Bereich der Virtuellen Realität wird unter anderem das Projekt Insel von Dirk Koys präsentiert, das mit einer 3D-Brille betrachtet werden kann.

Performances «Otto», Kreide-Zeichenmaschine von Jürg Lehni

Eine für die menschliche Hand designte Kreide wird von einer Maschine über die Wandtafel geführt. Diese schreibt und zeichnet umständlich und geduldig die vom Programm vorgegebene Information auf. Ein gemächliches und doch fesselndes Spektakel.

Mittwoch, 2. Oktober, 18-20 Uhr (Eröffnung) in Anwesenheit des Künstlers
Donnerstag, 3. Oktober, 18-20 Uhr in Anwesenheit des Künstlers
Donnerstag, 10. Oktober, 18-19 Uhr
Donnerstag, 17. Oktober, 18-19 Uhr
Freitag, 18. Oktober, 14-15 Uhr in Anwesenheit des Künstlers

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog als e-Publikation im Verlag electrfd.net, mit Texten von Stefanie Bräuer, Teresa Dillon, Gilles Rouffineau und Zach Lieberman, sowie einer Einleitung der Herausgeber:innen Annette Schindler und Michael Renner.

Mit Arbeiten von Nathan Aebi, Thomas Bircher, Frederick Jon Burbach, Claudia Colombo, Demian Conrad, Ted Davis, Anna Dippert, Korina Gallika, Martina Gees, David Héritier, Andreas Hidber, Christian Heusser, Esther Hunziker, Roland John, Dirk Koy, Renée Labek, Jürg Lehni, Samuel Lüscher, Nicholas Paredes, Travis Purrington, Tobias Rall, Michael Renner, Pipilotti Rist, Matthias Rohrbach, Roman Schnyder, David Schwarz, Vines Gregory, Andres Wanner, Danilo Wanner, Gabriel Weiss, Alper Yagcioglu, Sangye Zahn.

Kurator:innen: Annette Schindler, Michael Renner

Die Ausstellung unleashed ist anlässlich von AGI Congress und AGI Open 2024 im Museum Tinguely zu Gast – kuratiert von Annette Schindler (Kunsthistorikerin und Archivarin, Basel) und Michael Renner (Leiter des Institute Digital Communication Environments IDCE, HGK Basel FHNW). AGI Open, die führende internationale Konferenz für Kommunikationsdesign, kehrt nach 70 Jahren an den Gründungsort der AGI zurück: am 3. und 4. Oktober nach Basel, mit dem Stadtcasino als Veranstaltungsort.

Im Rahmen der AGI Open 2024 ist vom 15. September bis 6. Oktober im Ausstellungsraum der Schule für Gestaltung Basel auf dem Campus Dreispitz die Ausstellung Rid the Grid: Frauen im Schweizer Grafikdesign: 1900–1980 zu sehen.