Coalface,, 2024
Olivier Varenne, Geneva
Coalface besteht aus einem dicken Stück Anthrazitkohle, die zu einem Spiegel poliert wurde. Es strahlt eine Leichtigkeit aus, die im Widerspruch zu seiner scheinbaren Masse steht. Nähern die Betrachter:innen sich an, erkennen sie eine ungleichmässige Oberfläche, deren Krümmungen an ein Spiegelkabinett erinnern und die Realität verzerren. Mit seiner fast übernatürlichen Präsenz ist Coalface zugleich irdisch und unheimlich, unergründlich und unendlich. Obwohl die Entdeckung von Kohle als Energiespender zweifellos alles verändert hat und uns in ein techno-industrielles Zeitalter führte, das schon seit langem nicht mehr so verheissungsvoll ist, wie einst versprochen, wird sie hier lediglich als Instrument zur Spiegelung verwendet. Das von einer Öllampe, deren Flamme niemals direkt zu sehen ist, geheimnisvoll beleuchtete, verzerrt erscheinende Bild offenbart unsere emotionale Loslösung von der Natur und unser Ringen, uns selbst in den uns umgebenden materiellen Dingen zu erkennen. Dieses dezente Arrangement erzeugt eine subtile, aber wesentliche Spannung – zwischen Brennstoff und Verbrennung, zwischen dem Brennbaren und seiner Flamme. Das verborgene, wenngleich präsente Feuer, spiegelt sich auf der Oberfläche der Kohle und zeigt das Paradox eines Materials auf, das gleichzeitig Energie verspricht und die Bedrohung seiner eigenen Auslöschung innehat. Durch die Konfrontation mit dem eigenen Spiegelbild auf dem fossilen Brennstoff sind wir aufgefordert, unsere eigene Mittäterschaft zu befragen.
In diesem Prozess reflektiert Coalface auch die komplexe Beziehung zwischen dem Menschen und der Geologie, in der wir seit unseren Anfängen Bedeutung in und durch Stein gesucht haben: von den Höhlenmalereien bis zum schwarzen vulkanischen Obsidianglas, das eingesetzt wurde, um in andere Welten und heute in die Bildschirme unserer iPhones zu blicken, die durch die Förderung seltener Erden angetrieben werden. Coalface stellt Kohle in den Fokus, als Mittel von Beschleunigung und als Falle: Denn ihre wirtschaftliche Macht ist beinahe unwiderstehlich und scheint unsere Weltsicht verdrehen zu können. Gleichzeitig zeigt die Arbeit auf, wie die Menschheit auf der Jagd nach solchen Fossilien die planetarische Zeitrechnung verzerrt, vergrabene Schichten von Kohle, Erdöl und Erdgas freilegt und damit die Vergangenheit plündert, um die Gegenwart anzutreiben. Ein Prozess, der die menschliche Zukunft gefährden könnte, wenn wir ihn ungehindert zulassen.