Janet Cardiff & George Bures Miller
Dream Machines

Janet Cardiff & George Bures Miller, «Opera for a Small Room», 2005 © 2023 courtesy the artists, Luhring Augustine, New York, Gallery Koyanagi, Tokio und Fraenkel Gallery, San Francisco, Foto: Seber Ugarte, Lorena López

Janet Cardiff & George Bures Miller
Dream Machines

7. Juni – 24. September 2023

Das Werk von Janet Cardiff und George Bures Miller richtet sich an alle Sinne. Es erkundet insbesondere die skulpturale Plastizität von Geräusch, Klang und Musik. Ihre Arbeiten sind Vehikel für individuelle Exkursionen, die eine nostalgische Faszination für wunderkammerartige Erfahrungswelten mit den multimedialen Möglichkeiten unserer heutigen Lebensrealität verbindet. Wer sich auf den Weg macht, ihre Werke zu erkunden, begibt sich auf Reisen, taucht in Träume und poetische Welten ein. Die Ausstellung bietet einen umfassenden Überblick über ihr Schaffen, von ersten interaktiven Klangarbeiten bis zu neusten, dystopisch-immersiven Rauminstallationen.

Den Anfang ihrer über 30-jährigen Karriere als Künstlerpaar machten ortsspezifische 'Audiowalks' mit Walk- oder Discmans. Ab 2000 entwickelten sie eine besondere Form der Augmented Reality, indem sie ihre Walks mittels verschiedener Videoabspielgeräte um eine Dimension erweiterten – ein  Erlebnis, das von Teilnehmenden als eine Art interaktives, körperlich erfahrbares Kino beschrieben wurde. Ähnlich wie unser Geruchssinn ist das akustische Gedächtnis ein hochpräzises und hochkapazitives Erinnerungssystem, das die Wahrnehmung prägt und in seiner Offenheit, Körperlichkeit und Anschlussfähigkeit dem visuellen Gedächtnis vielleicht überlegen ist. Diesen Aspekt nutzt das Duo voll aus, um mit ihren Spaziergängen die wunderbare Entgrenzung und Offenheit des Hörens erlebbar zu machen: Durch die Interaktion mit der Aussenwelt werden die Sinne geschärft, gleichzeitig wirken die Teilnehmenden auf Aussenstehende als befänden sie sich in einer meditativen Versenkung.

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Janet Cardiff, The Forty Part Motet, eine Bearbeitung von Spem in Alium von Thomas Tallis (um 1570), 2001 © 2023 courtesy the artist, Foto: Museum Tinguely, Basel; Bettina Matthiessen

Cardiff und Miller verwenden verschiedene technische Ansätze, um unterschiedliche Klangerlebnisse zu kreieren. Besonders eindrücklich gelingt dies in ihrer ersten grossen musikalischen Installation The Forty Part Motet (2001). Ausgangspunkt für die Soundinstallation ist eine geistliche Vokalkomposition: die Motette Spem in Alium (um 1570) für acht Chöre zu je fünf Stimmen von Thomas Tallis. Das Duo zeichnete die Stimmen der vierzig Sänger:innen einzeln auf getrennten Tonspuren auf, um sie schliesslich unisono wiederzugegeben. Vierzig Lautsprecher, in einem Oval angeordnet, stehen für die Chormitglieder und machen den Klang im Raum skulptural erfahrbar. Die Besucher:innen können ihr Hörerlebnis selbst beeinflussen, indem sie sich im Raum bewegen, sich nahe eines Lautsprechers auf eine einzelne Stimme konzentrieren oder die Komposition als Ganzes rezipieren.

Extra muros: The Forty Part Motet
in der Druckereihalle im Ackermannshof, Basel

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Experiment in F#Minor

Janet Cardiff & George Bures Miller, Experiment in F# Minor, 2013 
© 2023 courtesy the artists, Art Gallery of Ontario

To touch (1993), The Cabinet of Curiousness (2010) oder Experiment in F# Minor (2013) spielen mit dem technischen Ansatz, Sound durch Bewegung zu aktivieren. Die Werke sind stumm, bis die Betrachtenden mit ihnen interagieren. Die Berührung oder der Schattenwurf ihres Körpers erwecken die Arbeiten zum Leben und setzen Alltagsgeräusche, Melodien, Musikkompositionen oder flüsternde Stimmen frei.

Janet Cardiff & George Bures Miller, The Instrument of Troubled Dreams, 2018 © Courtesy of the artists and Luhring Augustine Gallery, New York, Foto: Thomas Köster / KunstArztPraxis.de

Janet Cardiff & George Bures Miller, The Instrument of Troubled Dreams, 2018 © 2023 courtesy the artists, Lehmbruck Museum, Duisburg, Foto: Thomas Köster / KunstArztPraxis.de

Cardiff & Miller’s Schaffen ist angetrieben von einer Faszination für imaginative kulturelle Praktiken wie das Schreiben und Erzählen, Film, (Puppen-)Theater, Oper und Musik. Bewusst arbeiten sie mit dem Unbewussten, mit Träumen, die fantastische und oft disruptive Assoziationsräume eröffnen. So ermöglicht The Instrument of Troubled Dreams (2018) das Komponieren eines eigenen Film-Soundtracks. Die 72 Tasten des ursprünglichen Mellotrons, eine analoge Urform des Samplers, wurden von Cardiff und Miller mit verschiedensten digitalen Klängen belegt: Vom Regenprasseln über Gesang und Orgelspiel bis hin zum Hundegebell oder Schusswechsel. Kombiniert oder aufeinanderfolgend kann damit eine imaginäre Handlung erzählt werden.

Janet Cardiff & George Bures Miller, The Muriel Lake Incident, 1999 © Courtesy of the Artists

Janet Cardiff & George Bures Miller, The Muriel Lake Incident, 1999 © 2023 courtesy the artists, Luhring Augustine, New York, Fraenkel Gallery, San Francisco und Gallery Koyanagi, Tokio

Bei The Muriel Lake Incident (1999) findet man sich in einem Miniatur-Kinosaal wieder. Setzt man sich die Kopfhörer auf, hört man jedoch nicht allein den Sound des laufenden Films: Das binaurale Audiosystem gibt den Klang räumlich wieder und erweckt die Illusion, inmitten eines Kinopublikums zu sitzen, das raschelt, flüstert oder Popcorn isst. Die Erzählebenen verschwimmen und die Betrachtenden werden Teil des Geschehens.

Janet Cardiff & George Bures Miller, The Killing Machine, 2007 © Seber Ugarte, Lorena Lopez (MACBA, Barcelona)

Janet Cardiff & George Bures Miller, The Killing Machine, 2007 © 2023 courtesy the artists, Luhring Augustine, New York, Gallery Koyanagi, Tokio und Fraenkel Gallery, San Francisco, Foto: Seber Ugarte, Lorena López

Janet Cardiff & George Bures Miller, Sad Waltz and the Dancer who Couldn’t Dance, 2015 © Janet Cardiff and George Bures Miller; Courtesy of the Lehmbruck Museum, Duisburg

Janet Cardiff & George Bures Miller, Sad Waltz and the Dancer who Couldn’t Dance, 2015 © 2023 courtesy the artists, Lehmbruck Museum, Duisburg, Foto: Thomas Köster/KunstArztPraxis.de

Janet Cardiff und George Bures Miller betonen ihre Faszination für die Selbsttätigkeit der Maschine in Tinguelys Werk und bezeichnen ihn als einen ihrer wichtigsten Einflüsse. Wie in der Sammlungspräsentation im Museum Tinguely muss ein roter Knopf gedrückt werden, um mit The Killing Machine (2007) ein gleichsam düstereres Spektakel in Bewegung zu setzen. Inspiriert von der Kurzgeschichte In der Strafkolonie (1919) von Franz Kafka beginnen zwei Roboterarme ihren Totentanz und scheinen ein imaginäres Opfer auf einem Zahnarztstuhl mit spitzen Nadeln zu malträtieren. In Sad Waltz and the Dancer Who Couldn’t Dance (2015) zwingt die Maschine eine Marionette zu einem ungelenken Tanz, der die Betrachtenden in der intimen Ausstellungssituation mit der Puppe mitfühlen lässt.

 

Mit raumgreifenden Installationen wie Opera for a Small Room (2005) oder Escape Room (2021) können die Besucher:innen schliesslich gänzlich in von Cardiff & Miller kreierte Welten eintreten und der Realität entfliehen. Kleinteiligst und detailreich eingerichtet, hinterlassen die Räume den Eindruck, dass deren Bewohner:innen in jedem Moment zurückkehren könnten. Sorgsam inszenierte Sound- und Lichteffekte erwecken den Raum zum Leben, regen die Fantasie an und erinnern an längst vergessene Träume.
 

Janet Cardiff & George Bures Miller, Escape Room, 2021 © Chris Scott, Courtesy of Luhring Augustine

Janet Cardiff & George Bures Miller, Escape Room, 2021 © 2023 courtesy the artists, Luhring Augustine, New York, Gallery Koyanagi, Tokio und Fraenkel Gallery, San Francisco, Foto: David B. Smith

Das Ausstellungsprojekt ist eine Kooperation mit dem Lehmbruck Museum in Duisburg. Dort machte die Ausstellung im Frühjahr 2022 anlässlich der jüngsten Verleihung des Wilhelm Lehmbruck-Preises im Jahr 2020 an das Künstlerduo Station, welcher 1976 auch an Jean Tinguely vergeben wurde.

Begleitend zur Ausstellung ist ein reich bebilderter Katalog, 168 Seiten, im Wienand Verlag erschienen. Über abgedruckte QR-Codes sind Videos und Audiodateien der in der Ausstellung präsentierten Werke abrufbar. In zahlreichen Statements berichten Weggefährt:innen Janet Cardiff und George Bures Millers, unter ihnen Kasper König, Carolyn Christov-Bakargiev und Dr. Söke Dinkla, von persönlichen Begegnungen und gemeinsamen Projekten und zeichnen auf diese Weise sehr anschaulich und persönlich wichtige Etappen im Leben des Künstlerpaares nach. Der Katalog ist im Buchhandel sowie für 35 CHF im Museumsshop erhältlich (ISBN: 9783868326932).

Die Ausstellung wird kuratiert von Roland Wetzel, Assistenz: Tabea Panizzi

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